: Fortsetzung der Wahlen im Libanon
■ Aus Beirut Khalil Abied
Nach mehrtägigen scharf geführten politischen Auseinandersetzungen werden die libanesischen Parlamentswahlen nun doch fortgesetzt. Ihre morgen anstehende zweite Runde in Beirut und den Schuf-Bergen wird für das weitere Schicksal des Libanon von entscheidender Bedeutung sein. Gestern ist die Bevölkerung mehrheitlich christlich bewohnter Gebiete aus Protest gegen die Wahlen in einen dreitägigen Streik eingetreten, der weitgehend befolgt wurde.
Alle Geschäfte in den christlichen Vierteln Beiruts und seinen nördlichen und östlichen Vororten sind geschlossen. Auch im Nordlibanon befolgten viele den Streikaufruf. Nach der ersten Wahlrunde im syrisch kontrollierten Osten des Libanon am letzten Wochenende, die die schiitische Hisbollah für sich entscheiden konnte, wird morgen in jenen Teilen des Libanon gewählt, in denen fast die Hälfte aller libanesischen Christen leben.
„Wir werden die Wahlen bis zum Ende durchführen“, erklärte der libanesische Informationsminister Michel Samaha. Aber auch er kann nicht verhehlen, daß Regierung und Parlament über diese Frage vollkommen zerstritten sind. Nach dem Rücktritt des prosyrischen Parlamentspräsidenten Hussein Al-Husseini letzte Woche sind vorgestern auch Außenminister Fares Bueis und ein weiterer maronitischer Minister, George Saadeh, zurückgetreten. Die für Donnerstag vom stellvertretenden Parlamentspräsidenten Mallouli, einem Christen, einberufene Krisensitzung des Parlaments mußte abgesagt werden, da die Anzahl der erschienen Parlamentarier für eine Beschlußfähigkeit der Versammlung nicht ausgereicht hätte. Auf der Tagesordnung standen zwei Punkte: ein Mißtrauensvotum gegen die Regierung und eine Absage der Wahlen. „Es war die Regierung, die ihre Parteigänger aufgefordert hat, nicht zu erscheinen“, beklagte Mallouli sich gestern in einer Presseerklärung.
Der geistliche Führer der größten Christengruppierung im Libanon, der maronitische Patriarch Soufir, warnte vorgestern in einem Interview erneut davor, die Wahlen fortzusetzen. Sie seien „unrecht und illegal“. Wenn die Regierung sie nicht absage, werde die Opposition zu einem Volksaufstand aufrufen.
Mit der morgigen zweiten Wahlrunde in Beirut und den Bergen wird fast die Hälfte der Parlamentssitze vergeben. Hier kandidieren auch die meisten Minister der jetzigen Regierung, so daß die Wahlen hier auch eine Art Plebiszit für oder gegen die Regierung sein werden. Eine soeben durchgeführte Umfrage ergab, daß über neunzig Prozent der christlichen Wahlberechtigten den Urnengang boykottieren werden. Die starke christliche Opposition hängt unter anderem mit der syrischen militärischen Präsenz im Libanon zusammen. Der Regierung in Damaskus ist es gelungen, den Wahltermin vor den anstehenden syrischen Truppenabzug in den Osten des Libanon zu legen.
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