INTERVIEW: »Diese Vorkommnisse in Deutschland sind unglaublich«
■ Nach den Rostocker Ereignissen herrscht Beunruhigung auch bei japanischen Geschäftsleuten in Berlin/ Konsulat rät zu »vorsichtigem Verhalten«
Die Ereignisse von Rostock beunruhigen auch die japanischen Geschäftsleute. Erinnert wird u.a. daran, daß Japaner auch schon zu DDR-Zeiten Ziel von rassistischen Angriffen gewesen sind — allerdings wurden sie damals mit Vietnamesen verwechselt. Besorgt äußert sich Takeo Matsuno. Er lebt seit 16 Jahren in Berlin und ist Geschäftsführer der japanischen Industrie- und Handelsvereinigung in Berlin und Gründungs-Geschäftsführer für eine japanische Schule in der Stadt.
taz: Wie reagieren japanische Firmen auf die Ereignisse in Rostock?
Takeo Matsuno: Es gibt Befürchtungen, auch Ziel von Angriffen zu werden. Das japanische Konsulat hat deswegen Empfehlung gegeben, sich vorsichtig zu verhalten. Ich hole meine Frau ab, wenn sie nachts arbeitet. Es geht nicht darum, wie ich gelesen habe, daß wir mit anderen Ausländern verwechselt werden könnten — beispielsweise Vietnamesen. Ich glaube vielmehr, die Neonazis möchten alle Ausländer loswerden.
Beobachten japanische Konzerne die Entwicklung in Deutschland?
Ja. In Japan macht man sich Sorgen in den Firmenzentralen, wenn es solche Anschläge gegen Asylbewerber und Ausländer gibt. Allerdings ist das nicht neu. Eine solche Beunruhigung gibt es in Japan bereits seit den Ereignissen in Hoyerswerda. Die Treuhand-Chefin Frau Breuel wurde schon vor einem Jahr bei einem Japan-Besuch mit entsprechenden Besorgnissen konfrontiert. Außerdem sehen auch die Familienangehörigen von hier arbeitenden Japanern daheim die Bilder der Angriffe von Rostock im Fernsehen. Die Angehörigen reagieren natürlich ebenfalls mit Sorge oder Angst.
Ziehen sich japanische Unternehmen künftig von Investitionen in Ostdeutschland zurück?
Das kann man so nicht sagen. Selbstverständlich beeinflussen solche Anschläge die Investitionsentscheidungen. Ich glaube aber nicht, daß dies direkten Einfluß auf bereits geplante Geschäfte hat. Andererseits entscheidet die japanische Regierung in diesen Tagen, ob eine japanische Schule in Berlin eingerichtet wird. Diese soll im April 1993 eröffnet werden. Wenn in Deutschland diese Ausländerfeindlichkeit weitergeht, dann machen wir uns natürlich große Sorgen um unsere Kinder.
Wäre dann die Schule in Frage gestellt?
So weit möchte ich nicht gehen. Die Schule könnten wir trotz der Ausländerfeindlichkeit eröffnen, aber diese Stimmung ist natürlich nicht gut. Auch nicht für Investitionen. Die Erde wird immer kleiner und grenzenloser wegen der technischen Entwicklungen. Alle Völker müssen friedlich zusammenleben. Das ist wichtig für die Zukunft. Deswegen sind diese Vorkommnisse in Deutschland unglaublich. Wir möchten uns nicht einmischen, aber diese Überfälle zu verhindern ist nicht nur Sache der deutschen Politik, es ist eine ganz normale menschliche Aufgabe. Gespräch: Gerd Nowakowski
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