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Zu Tisch bei Menschenfressers

■ Symposion zu Sein und Schein des Designs von Essen und Trinken

Was Sie schon immer über Kannibalen wissen wollten, können Sie heute im Überseemuseum erfahren. Der Anglist Christian Thomsen spricht über die „allmähliche Verfeinerung der Tischsitten bei den Menschenfressern“. Der Wissenschaftler beschreibt Höhepunkte literarisch-kannibalischer Kochkunst: Von Homers menschenfressendem Riesen Polyphem bis zu Peter Greenaways Film „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“.

Doch nicht allein die Frage, ob Menschenfresser „wie sich's gehört mit Gabel und Messer“ essen, stellt sich heute. Das zweitägige Symposion ist dem Ursprung und er Zukunft des Designs schlechthin gewidmet — und zeigt dies beispielhaft an einer der menschlichsten Alltagshandlungen: dem Essen und Trinken. Das Design vom Schein befreien möchte Professor Peter Kubelka, der an der Staedelschule in Frankfurt Film und Kochen unterrichtet. In einer Zeit, da das Kochen, „die letzte Kunstgattung, die alle Menschen noch in ihren Haushalten ausübten“, den Fast-Food- und anderen Spezialisten überlassen wird, möchte Kubelka an die Phase erinnern, in der jeder Mensch noch ein Künstler und Designer war. „Speisen, Gedichte oder Musikstücke sind gleichwertige Kunstformen“, lautet eine der Thesen von Professor Kubelka, deren Beweis er heute mittels Performance antreten wird.

Der Steinzeit-Gourmet wird zwar nicht mehr auf dem Symposion gehört werden können, doch was die Quellen über die Tischsitten der Antike verraten, berichtet der Kölner Wissenschaftler Eberhard Thomas. Auch Gastronomie-Architektur und Tafelmusik dürfen auf einem Designs-Symposion nicht fehlen. Denn schließlich geht es nicht nur ums Essen und Trinken, sondern auch um das Drumrum: In einer begleitenden Ausstellung zeigt das Überseemuseum Eßgeschirre aus fremden und bekannten Kulturen, modernes Besteckdesign, Bremer Tische und Stühle und jede Menge Fotos. Aufnahmen von den Vorbereitungen für eine Hochzeit auf Neuirland kontrastieren mit Szenen einer Bremer Kohl- und Pinkelfahrt. Dieter Heinzte, Ethnologe des Überseemuseums: „Wir wollen Essen und Trinken auch in seinen sozialen und religiösen Dimensionen darstellen.“

Rainer Alsheimer, der Direktor des Studiengangs Kulturwissenschaften an der Universität Bremen nimmt sich der Nahrungstabus in der Geschichte des Essens und Trinkens in Europa an und erläutert, warum Alkohol der stabilste Teil der westlichen Eß- und Trinkkultur ist.

„Wahres Design formt die Welt zum Vorteil des Menschen“ behauptet Professor Kubelka. Nicht alles, was Designers Hand verläßt, wird solchem Anspruch gerecht. Den „Göffel“ und andere Eßbestecke und Objekte erläutert die Designerin Bibs Hosak-Robb.

Symposion bedeutet zwar Gastmahl, doch die Gäste müssen tief in die Tasche greifen. Einen knappen Tausender kostet der Spaß für die rund 70 TeilnehmerInnen aus Wirtschaft und Wissenschaft. Studenten dürfen zum Vorzugspreis am Gastmahl teilnehmen. dir

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