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Chefgott mit Schürze

■ Installationsprojekt „Eingriffe + Kommentare“ in Vegesack / Gags und Kellerkunst

hier 2 Figuren

Waldemar Ottos Plastik vorher...

Ein kecker Gartenzwerg hat den Sockel von Friedrich Schiller okkupiert. Die erhabene Bronzefigur „Netzeflicker“ an der Fassade der Sparkasse hat plötzlich Fischgräten in ihrem Bronzenetz. Die Machostatue des Jupiter wurde gar in mütterlichen Schürzenstoff verpackt - Einige der „Eingriffe und Kommentare“, eines Projektes des Kulturforum Bremen Nord, sind Gags: Komische Veränderungen des tausendmal Gesehenen, die kaum einer Erklärung bedürfen. Andere sind nur mit Schwierigkeiten als „Kunstwerke“ zu erkennen.

Genau in der Mitte des potthäßlichen Bahnhofsplatzes steht für ein paar Wochen eine quadratische Holzkonstruktion, in die man sich setzen kann und die zudem noch überdacht ist. Kaum einer der vielen Passanten wird sich fragen, was Wulf Sternebeck wohl mit seiner Installation „Warten“ ausdrücken wollte. Der Platz ist ein wenig wärmer und bequemer geworden; die „Kunst“ ist schon fast wieder im Stadtbild aufgehoben.

An einer Mauer des Ausflugslokals „Strandlust“ hat Hajo Antpöhler ein unscheinbares Foto angebracht, das genau die gleiche Stelle vor fünf Jahren zeigt. Da ist das Konzept schon wichtiger als der unmittelbare Eindruck. Ein weiteres Werk von Antpöhler ist so minimalistisch, daß selbst der interessierte „Betrachter“ es garnicht zu sehen bekommt: Im Kellermagazin der Stadtbibliothek ist die gesamte Auflage eines kleinen Fotobuchs gestapelt. Jeder kann sich von dort ein Exemplar holen lassen, das eigentliche Werk ist aber der langsam abnehmende Bücherstapel, von dem 10 Tage nach dem Beginn des Projekts allerdings erst zwei Exemplare weggenommen wurden.

Die neun KünstlerInnen des Projekts haben unter ganz unterschiedlichen Ansätzen und mit mageren 20.000 Mark Unterstützung den öffentlichen Raum bestückt. Christo läßt bei einigen „Verpackungen“ grüßen, auch bei Ursula Barwitzkis „Begegnung“. Dazu bastelte sie einfach zwei Holzkästen um Waldemar Ottos altehrwürdige Plastik „Begegnung“. Aber auch ihrem Werk wurde schon begegnet: seit kurzem ziert das Graffito „Gegen Nazis“ das in schönem Rot gestrichene Holz.

Auch Heini Linkshänder wollte verpacken. Der bekannte Walkiefer aus Bronze sollte teilweise in eine Hülle aus Kupfer gesteckt werden. Aber da hatten auch noch der Stadtgarten und der Verschönerungsverein ein Wörtchen mitzureden. Vegesacks Antwort auf den Bremer Roland durfte nach deren strengem Verdikt nicht verschönt werden, und so blieb es bei einer blassen Notlösung: Linkshänder legte einen Kupferbogen vor den Walkiefer und schrieb auf der anderen Seite mit Farbe „kein Ort nirgends“ aufs Kopfsteinplaster. Ob der große Farbfleck daneben künstlerische Intention oder nur hingekleckert war, konnte auch Matthias Haun, der Organisator des Projakts, nicht sagen. Im Zweifel für den Künstler!

Manfred Hinkens „Ort des Menschen“, eine Ergänzung der Sonnenuhr an der Weserpromenade, die aus einem Holzquader in der Größe des Uhrensockels und einer beschrifteten und bemalten Bretterwand besteht, hat nach Angaben des Organisators bei den flanierenden Vegesackern am meisten Anklang gefunden. Ansonsten läßt sich die Resonanz des Publikums, neben der gut besuchten Begehung am Montag letzter Woche, am besten daran messen, daß bereits zwei

zwei Kisten

...und nachher, verpackt

Kunstwerke geklaut wurden: Christine Meise hatte auf einer Parkbank, an der eine alte Frau regelmäßig Katzen füttert, ein kitschig-religiöses Votivbild angebracht: Dieses ist verschwunden und wird wohl kaum zum Himmel aufgefahren sein. Remiquisz Borda, der die schon erwähnten Fischgräten in den „Netzeflicker“ hängte, installierte einen Kasten mit einem Gräten-Bild in das steinige Weserufer. Kasten und Bild sollten mit Ebbe und Flut auftauchen und wieder unter Wasser verschwinden. Vorgestern war der Kasten leer. Mit etwas gutem Willen kann man diese nicht ganz legalen Aktion (wie auch die Graffiti) als Fortführung des Projektes mit anderen Mitteln verstehen — eben als „Eingriffe und Kommentare“.

Wilfried Hippen

bis 18.September

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