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Klassenkampf

■ Bei den Weltspielen der Behinderten simulieren sich Athleten in günstigere Leistungsklassen

Barcelona (taz) — Barcelona '92 — Behindertensport in neuer Dimension, 4.000 Athleten, 1.200 Journalisten (da war zu den Olympischen Spielen allein das Team der NBC größer) gehören diesmal der paralympischen Familie an. Das Verhältnis unter den Athleten ist ausgesprochen gelöst, der Kontakt eng und intensiv. Große sportliche Gesten im Wettkampf sind — anders als bei den Olympischen Spielen, wo es um zu vergoldende Titel geht — hoch im Kurs. Da wird beim Tischtennis ein Kantenball auf Nachfrage hin gutgegeben. Esther Weber, deutsche Fechterin, läßt sich nach einem offensichtlichen Fehler des Kampfgerichts einen Treffer setzen, weil sie sich bevorteilt fühlte.

Heile Welt der Paralympics? Dem Schein nach, doch auch hier wird mit unlauteren Mitteln gearbeitet, leise, im Hintergrund, auf einem Gebiet, daß es bei den „Fußgängern“ nicht gibt. Die Sportler werden vorher in verschiedene Klassen eingeteilt, entsprechend ihrer Behinderung. Eine internationale Jury übernimmt diese Klassifizierung. Ihr gehören Trainer und Fachleute ausgewählter Verbände an.

Die Sportler werden nach ihren noch möglichen Körperfunktionen beurteilt. Je gehandicapter ich bin, desto leichter ist meine Klasse, das wissen natürlich auch die Athleten. Es kam schon vor, daß ein Sportler, der sich angeblich nicht selber aufrichten und kaum die Arme bewegen konnte, auf die Aufforderung hin, sein Hemd auszuziehen, dieses glatt tat.

Eine schwierige Aufgabe also für die Klassifizierer. Sie unterscheiden „die Gauner“ in Nichtkooperierende und Betrüger. Bei nachgewiesenem Betrug würde ein Ausschluß erfolgen, ansonsten gibt es nur einen Vermerk über fehlende Kooperationsbereitschaft. Jeder weiß, was das bedeutet.

Seit diesen Spielen ist noch ein anderes Thema aktuell: Doping. Erstmalig finden bei Paralympics offizielle Dopingkontrollen statt. Über 200 werden es in Barcelona sein. Dem ungarischen Kugelstoßer Denes Nagy wurde die Einnahme von Anabolika nachgewiesen, er ist inzwischen wieder zu Hause. Als Richtschnur soll die internationale Dopingliste des IOC herhalten. Die entscheidende Instanz jedoch ist die vom IOC unabhängige Dopingkommission der Paralympics-Organisatoren.

Im Bereich des Behindertensports gibt es auf dem Dopingsektor grundlegende Unterschiede. Allein schon die technische Durchführung der Dopingprobe durch den Athleten kann Probleme bereiten. Der Sportler hat allein zu sein, und nur seine Fingerabdrücke dürfen sich auf den Gläsern wiederfinden, heißt es eigentlich. Wie sollten die Spastiker, die Armamputierten, die Rollstuhlfahrer ihr Fläschchen füllen? Das hat unter doppelter Aufsicht der offiziellen Stellen zu geschehen, dann muß ja noch einer halten, da wird's dann bestimmt ganz schön eng...

Viele Sportler nehmen zeitweise oder dauerhaft Medikamente. Meist ist es kein Problem, für Medikamente, in denen verbotene Stoffe enthalten sind, Ausweichpräparate zu finden. Es gibt aber auch Ausnahmen, die in Einzelfällen überprüft werden müssen. Bisher war das Prozedere einfach. Wenn ein Verdacht aufgetreten ist, brauchte der behandelnde Arzt nur erklären, daß sein Sportler dieses oder jenes Medikament gebraucht habe.

Auch innerhalb des DBS gibt es erst seit diesem Jahr Dopingkontrollen. Der Behindertensport, der langsam aus seinem Schattendasein herauskriecht, kann sich von den negativen Seiten der großen Sportwelt nicht abschotten. Stephan Eckardt/Barcelona

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