Asylanten im Eßzimmer?

■ „Bild“ läßt Wohnraum für Asylanten beschlagnahmen

Berlin (taz) — „Wohnraum beschlagnahmt. Familie muß Asylanten aufnehmen“ titelte Bild am vergangenen Dienstag. In gewohnt knapper Form entwarf das Blatt ein Horrorszenario für die deutsche Familie: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen beim Abendessen und Ihnen passiert, was Familie Stegmann angeblich widerfahren ist. Es klingelt, und herein kommt ein Roma- Asylantenehepaar aus Polen, das bei Ihnen zwangseingewiesen ist. Widerspruch? Zwecklos! Zitat Gemeindedirektor Petering: „Die Polen bleiben drin!“

Damit Bild-Leser nicht nur wissen, was auf sie zukommt, sondern auch erfahren, wie sie sich wehren können, berät die Zeitung unter der Überschrift: „Was kann der Staat mir für Asylanten wegnehmen?“ In dem Artikel wird suggeriert, daß jedes kleine Eigenheim und jeder Vorgarten unter Umständen beschlagnahmt werden könne. Es wird von Küchenbenutzung und Zelten im Garten gesprochen, auch vor Flüchtlingen in Gartenlauben und Wohnwagen sei der Deutsche nur bedingt sicher. So weit Bild.

Was wirklich geschah: Familie Stegmann, Vater, Mutter und drei erwachsene Kinder, lebten in Lemförde bei Bremen in einer Sieben- Zimmer-Wohnung für 515 Mark kalt. Wegen Eigenbedarf mußten sie ausziehen. Die Gemeinde wies ihnen vorübergehend Räume in einem Obdachlosenhaus in der Pommernstraße zu. Obdachlose haben keine Mietverträge und müssen zweimal monatlich Wohnungssuche nachweisen. Stegmanns leben von drei Einkommen und einer Arbeitslosenunterstüzung. „Wir konnten uns bisher zu keiner neuen Wohnung entschließen“, so Frau Stegmann zur taz, „da uns 1.000 bis 1.200 Mark Miete zuviel sind.“

Gemeindedirektor Petering hat die Unterbringung der beiden polnischen Asylsuchenden in einem Zimmer der Pommernstraße verfügt. Im Zuge der Unterbringung von Obdachlosen und Flüchtlingen ein völlig üblicher Vorgang. Daß es sich um Roma handeln soll, ist ihm neu. Frau Stegmann argwöhnt: „Die Frau ist sicher Zigeunerin.“ Beim Mann wisse sie es nicht. Stegmanns bewohnen drei Räume. Allen Bewohnern steht mehr Platz zur Verfügung, als die vom Gesetz knapp bemessene Quadratmeterzahl. Bild weiß das! Zieht es aber vor, unberechtigte Ängste zu schüren und damit die alltägliche Hetze gegen Ausländer fortzusetzen. Dieses Blatt könnte der Fidibus am nächsten Molotowcocktail gegen ein Asylbewerberheim sein. UM