: Zappa und das klickende Mäuschen
■ In Hamburg erscheint Deutschlands erstes CD-Magazin / Nullnummer kostete eine Viertelmillion
/ Nullnummer kostete eine Viertelmillion
Wie verbietet man Frank Zappa den Mund? Ganz einfach, man drückt einen Knopf und schon schweigt der gute Mann. Möglich macht dies ein neuartiges visuelles Magazin. In einer Auflage von 15000 Stück erschien jetzt in Hamburg Deutschlands erste CD- Zeitschrift. MediaMix Interaktiv heißt bezeichnenderweise das revolutionäre Werk, das von der Hamburger Media Magic Produktions GmbH herausgegeben wurde. Denn der Leser kann durch „Klicken“ seiner „Maus“, einem kleinen Steuerungsgerät, „interaktiv“ in das Geschehen und Gebotene eingreifen.
Gespeichert ist die Zeitung auf einer CD-ROM, ein Datenträger, der bereits 1979 zeitgleich mit seinem Musik-Kollegen das Licht der harten Laser-Welt erblickte. Doch obwohl sie so viel Speicherplatz wie 600 Disketten bietet, konnte sich die CD-ROM auf dem Markt nicht durchsetzen. Sie ist verhältnismäßig teuer und nur einmal bespielbar. Lesen beziehungsweise hören und erleben werden MediaMix denn auch nur die 25000 stolzen Besitzer eines Macintosh Computers, die sich zusätzlich noch das 1000 Mark teure CD-Laufwerk besorgt haben. „Doch schon in absehbarer Zeit“, meint Leo Jakobs, Produktionsmanager von Media Magic, „werden wir einen viel größeren Markt haben, denn die Preise für CD-ROM-Laufwerke werden immer niedriger“.
Neun Monate arbeiteten ein vielköpfiges Graphikerteam und diverse Künstler und freie Autoren an der Nullnummer, die mit Kosten von einer runden viertel Million Mark zu Buche schlug. Bislang ist die Produktion nur bei Media Magic und einigen Computerhändlern erhältlich, doch die nächsten Ausgaben, die alle drei Monate erscheinen sollen, werden vermutlich auch über Kioske vertrieben werden. Der niedrige Preis von 19 Mark 80 wird natürlich nur durch Anzeigenkunden möglich. Oder vielleicht, weil Macintosh das werbewirksame Scheibchen insgeheim heftig unterstützte?
Wie dem auch sei, die redaktionellen Beiträge sind durchaus interessant. Zum Beispiel jenes Interview mit Frank Zappa, dessen Text man je nach Bedarf Stück für Stück lesen oder hören kann. Man klickt die aufgelisteten und mit Symbolen versehenen Themen einfach an und schon erzählt Herr Zappa aus seinem Leben. Wer des Englischen nicht mächtig ist, der klickt erneut und schon erscheint wahlweise die deutsche, französische oder spanische Übersetzung — allerdings nur schriftlich. Eine digitale Bibliothek ermöglicht es, in diverse Zappastücke hineinzuhören. Danach kann man durch fiktive Ausstellungsräume wandern und sich die Exponate eines Installationskünstlers anschauen — oder davor, wie man will. Hier ein Klick, da ein Klick
1und schon hat man ein Kunstwerk voll in Aktion vor sich.
Für Literaturfreunde hat das lebendige Magazin auch etwas zu bieten. Zwei Künstler machten ein Gedicht von Allen Ginsberg sichtbar und laden zu einer spannenden und je nach Bedarf des Lesers variierbaren Reise durch sinnesschwere Zeilen ein. Selbstverständlich neh-
1men Spots über technische Neuerungen einen großen Teil von MediaMix ein, denn gedacht ist der kleine Silberling für „Personen in Schlüsselpositionen der medienverwandten Industriebranchen“. Dennoch wirken die künstlerischen Beiträge keineswegs dahingeklatscht. Darauf legt auch Leo Jakobs großen Wert: „Dieses Me-
1dium bietet Künstlern ein riesiges Forum. Auch wenn sie keine Ausstellung haben, können sie ihre Arbeit jederzeit präsentieren.“
Ob MediaMix nun zu einem Meilenstein in der Zeitschriftenlandschaft wird oder bloß verspielte und überkandidelte Techno-Kacke für eine kleine Minderheit ist, wird sich zeigen. Kristian Schneider
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