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KUNST ZUM AUSSCHNEIDEN (7): Erde, Wasser, Stein und Zeit

Ein Skulpturen-Rundgang durch die Weserburg in 13 Stationen

Richard Long macht aus dem Wandern eine Kunstform, die seine Lebensweise bestimmt: „Die Quelle meines Werkes ist die Natur.“ Seine Materialien sind reine Natursubstanzen: Erde, Wasser, Stein, Holz sowie das Element Zeit. Seine Formen leiten sich direkt von Elementarformen ab: Gerade Linien, Spiralen, Kreise, Kreuzungen, die zugleich Spuren von Bewegung sind. In der Weserburg liegt der Ring aus Schieferplatten in unmittelbarer Nachbarschaft der Bilder von Raimund Girke und Alan Charlton als malerische Ergänzung in horizontaler Ebene.

Die reliefartige Oberfläche wird aus drei übereinanderliegenden Plattenschichten gebildet. Der innere kreisförmige Freiraum steht in harmonischem Verhältnis zur Ringgröße. Die matten Grautöne kontrastieren mit dem kreidigen Weiß der auf derselben Etage liegenden Linie von Flintsteinen. Von den unbehauenen Steinbrocken, die lose nebeneinanderliegen, geht ein Schimmer wie von gebleichten Knochen aus.

Auch Richard Long definiert den Begriff Skulptur neu. Er möchte keine Monumente errichten, sondern Unbeständigkeit und Veränderlichkeit der Naturprozesse in seinem Werk widerspiegeln. Deshalb führt er die aus der Natur entnommenen Materialien häufig wieder in die Natur zurück, z.B. eine Arbeit aus Steinen, nachdem er sie fotografiert hat. Eine Wasserzeichnung verschwindet durch Austrocknung. Arbeiten aus trockenen Pflanzen oder Seetang werden vom Wind verweht oder von Tieren gefressen.

In Erweiterung des traditionellen Skulptur-Begriffs gehört bei Long auch der Prozeß der Entstehung dazu: Das Gehen und Wandern, seine Fotografien ebenso wie Spiegelungen, Lichtreflexe, sowie die durch Wasser und Luft ausgelöste Bewegung. Er ergänzt den Begriff durch akustische Elemente, das Rauschen des Wassers und des Windes gehören zu Skulpturen, wie das Geräusch der Atmung und der eigenen Schritte. Es ist kein Zufall, daß Long aus dem Land des vielleicht berühmtesten Steinkreises, des Stonehenge bei Salisbury kommt. Auch wenn die Bedeutung dieser Anlage nichts unmittelbar mit Longs Kunst zu tun hat, zeigt sie ein Raumempfinden, das mit seiner Kunst vergleichbar ist.

Es besteht auch eine Verbindung zur Welt des Kindes: Durch die einfache Technik, die Vergänglichkeit der Werke, den Umgang mit natürlichen Materialien, die jedes Kind vom Spielen im Freien kennt. Der Rhythmus einiger seiner Texte erinnert sowohl an Abzählreime wie an menschliches Gehen. „Five, six, pick up sticks, seven, eight, lay them straight“. LeserIn, wann gehst Du in die Weserburg? Christine Breyhan

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