: Suche nach Identität
■ Erste Regionalkonferenz Ostberliner Frauenforscherinnen
Friedrichshain. Die Ost-Frauen haben das mit dem Patriarchat ja noch nicht kapiert — wenigstens nach Auffassung einiger West-Feministinnen. Frustration ist auf beiden Seiten vorhanden — die Ostberliner Frauenforscherinnen hatten folglich entschieden, ihre erste feministische Regionalkonferenz lieber unter sich abzuhalten. »Ich will mich nicht immer anderen erklären müssen, sondern erstmal mir selbst«, begründete Mitorganisatorin Eva Schäfer diese Entscheidung. Nach der »Identität«, der »Eigenart Ost-Frau« zu suchen, wurde als ein Ziel der Zusammenkunft formuliert — das nicht unhinterfragt blieb: »Bauen wir nicht neue Mythen auf, wenn wir nicht auch nach den Unterschieden zwischen uns fragen?«
Die Bestandsaufnahme, die im ersten Teil der Konferenz auf dem Programm stand, zeigte jedenfalls, daß die Frage nach den eigenen Identitäten die laufenden Projekte tatsächlich prägt. Sei es in der Suche nach den Wurzeln der DDR-Frauenbewegung wie bei Eva Schäfer selbst. Sei es — wie in dem von der Humboldt- Professorin Irene Dölling vorgestellten Projekt — als Frage danach, wie Frauen (und ein paar Männer) im Herbst 1990 die neuen Realitäten in Tagebüchern verarbeiteten.
Fast alle vorgestellten Projekte waren empirischer Art, ihre Inhalte aus der ostdeutschen Nachkriegsgeschichte. Ausnahme: Das von der emeritierten Literaturwissenschaftlerin Hanna Behrend vorgestellte Projekt, das in interdisziplinärem Kreis die Begriffe »Geschlecht — Rasse — Klasse« theoretisch aufarbeiten will. Eine »günstige Situation für neue Lesarten« biete, so Behrend, die theoretische Verunsicherung, die derzeit beileibe nicht nur in der ehemaligen DDR herrscht. Ihr Plädoyer für den Blick auf die Zusammenhänge zwischen ethnischen, sozialen und Geschlechteridentitäten traf sich mit der Kritik, die Irene Dölling in der Abschlußdiskussion um Konzept und Perspektiven der ostdeutschen feministischen Forschung formulierte: »Fast wie ein Wiederholungszwang« erschien ihr die fortgesetzte Beschäftigung mit den alten Themen. Ob heute das Wort »Sexualität« auch nur einmal gefallen sei? Und: Bedeute angesichts der Weltentwicklung die ausschließliche Konzentration auf Frauen nicht, andere zum »berühmten Nebenwiderspruch« zu deklarieren?
Die Diskussion um ihr Selbstverständnis wollen die Ostberliner Frauenforscherinnen fortführen. Claudia Breger
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