Retter der Europäischen Union?

■ Ausgerechnet Kohl will den EuropäerInnen zeigen, wie man's demokratisch macht

Retter der Europäischen Union? Ausgerechnet Kohl will den EuropäerInnen zeigen, wie man's demokratisch macht

Von der deutsch-französischen Zusammenarbeit sind in der Geschichte der Europäischen Gemeinschaft immer wieder entscheidende Impulse ausgegangen. Frankreich steuerte die moralische Autorität bei, Deutschland die wirtschaftliche Kraft. Doch seit der deutschen Vereinigung, die Mitterrand bis zum Schluß zu verzögern suchte, behindert Mißtrauen die Beziehungen.

Die jüngsten Ereignisse — illegale Müllieferungen nach Frankreich, Pogrome gegen Flüchtlinge in Deutschland und die Hochzinspolitik der Bundesbank — verstärkten die Renaissance französischer Vorurteile gegen Deutschland. Die Kampagne mit der Angst vor Deutschland, wie sie Maastricht-Gegner und Befürworter führten, griff diese Ressentiments auf. Am Sonntag schließlich war „Deutschland“ für jeden vierten Franzosen das entscheidende Argument an der Urne.

Das 51-Prozent-Ergebnis hat die Lage der Regierung in Paris dramatisch verschlechtert. Jetzt kann Mitterrand bei der Wahl seiner Partner nicht mehr wählerisch sein. Kohls Reise nach Paris nur zwei Tage nach dem sozialistischen Debakel kam wie gerufen. Als ob nichts geschehen wäre, nun also eine gemeinsame Erklärung von Kohl und Mitterrand zur EG. Doch im Unterschied zu früheren Treffen kann diesmal Kohl seine Bedingungen diktieren. Schon vorab kündigte er mehr Demokratie, mehr Subsidiarität und eine Erweiterung der Gemeinschaft um vier Staaten an.

Ausgerechnet Kohl dient sich als Retter der Europäischen Union an. Er, der sich mit Händen und Füßen gegen eine Volksabstimmung im eigenen Land wehrt, will Europa lehren, was Demokratie ist. Er, dessen Europapolitik selbst in der eigenen Regierungskoalition immer geringere Unterstützung genießt, will die anderen elf Regierungschefs beim Sondergipfel im Oktober auf eine gemeinsame Linie bringen.

Diese deutsch-französische Initiative ist reine Kosmetik. Kohl will eben nicht das einzige demokratisch legitimierte Organ der EG, das Europaparlament aufwerten. Dazu müßten die Maastrichter Verträge geändert werden, die er mitgeschrieben hat. Das lehnt er strikt ab. Kohl will die Verträge nur „neu interpretieren“.

Kohl will den EuropäerInnen weismachen, daß die Gemeinschaft wegen ihres bürokratischen Apparats undurchsichtig sei. Doch die BürokratInnen sind nur ausführende Organe. Die Verantwortlichen für die undemokratische EG-Politik sind die MinisterInnen und Regierungschefs der zwölf Mitgliedsländer. Kohl selbst ist einer von ihnen. Dorothea Hahn