: Denkpause für die israelische Regierung
Abwartende Reaktion auf syrischen Friedensvorschlag bei den bilateralen Nahost-Verhandlungen/ Siebte Runde ab 21. Oktober ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Syrien hat sich zu einem „totalen Frieden“ mit Israel bereit erklärt, wenn Israel sich im Gegenzug vollständig von den besetzten Golan-Höhen zurückzieht. Kurz vor Abschluß der 6. Runde der bilateralen Nahost- Gespräche in Washington gab der syrische Außenminister Faruk el- Schara am Mittwoch diese Erklärung ab. Bis zur nächsten Verhandlungsrunde zwischen beiden Staaten, die ab 21. OKtober wiederum in der US- Hauptstadt stattfinden soll, wird Israel nun Zeit genug haben, eine entsprechende Reaktion vorzubereiten.
Vorläufig reagierte der Leiter der israelischen Verhandlungsdelegation mit Syrien, Professor Itamar Rabinovitz, vorsichtig. Der Wunsch der syrischen Regierung nach einem totalen Frieden klinge zwar gut, sagte er. „Wir kennen jedoch die genaue Bedeutung dieses Ausdrucks nicht und müssen noch viele Details über die Art des Friedens klären.“
Der israelische Regierungschef Jitzchak Rabin hatte überdies gefordert, daß Syrien sich klar zu einem unabhängigen und separaten Friedensschluß mit Israel bereit erklärt. Mit anderen Worten: Syrien löst sich durch getrennte Friedensverhandlungen mit Israel aus der gemeinsamen arabischen Front, die einen koordinierten und allumfassenden Frieden mit Israel anstrebt.
Solange er keine präzisen Einzelheiten des von Syrien angebotenen Friedens erhalten habe, sagte Ministerpräsident Rabin erneut am Mittwoch, werde Israel keinerlei Verhandlungen über territoriale Fragen mit Syrien beginnen. Außenminister Schimon Peres, der sich gegenwärtig anläßlich der UNO-Generalversammlung in New York befindet, verlangte in seiner Reaktion auf die Friedenserklärung des syrischen Außenministers, daß die Syrer ihren Standpunkt doch auf höchster Ebene direkt mit Israel klarmachen sollten. Peres will weitere Gespräche zwischen beiden Staaten außerhalb des formalen Rahmens der bilateralen Verhandlungen in Washington, die heute — in der gegenwärtigen Runde— zu Ende gehen.
Bei den Oppositionsparteien ebenso wie innerhalb der Arbeiterpartei Rabins erregte die Ministerin für Erziehung und Kultur, Schulamit Aloni, gestern eine neue Welle des Protests. Sie erklärte, daß die syrische Forderung auf Rückgabe des gesamten Golangebietes nach internationalem Recht richtig ist. Eine Übergabe der von Israel eroberten Golangebiete müsse aber nicht unbedingt innerhalb kurzer Frist erfolgen, fügte sie hinzu.
Im Gegenzug zur Rückerstattung des Golan müßten die Israelis „die Möglichkeit haben, in Frieden nach Damaskus reisen zu können, dort auf dem Flohmarkt zu stöbern und verschiedenen Mist als Geschenk für ihre Freunde zurückbringen zu dürfen — so wie sie das jetzt in und aus Ägypten tun.“ Die Alternative zu einem Frieden mit Syrien wäre ein furchtbarer Krieg, warnte Frau Aloni. Zum Ärger einiger ihrer Regierungskollegen äußerte sich Frau Aloni auch zugunsten direkter israelischer Verhandlungen mit der PLO- Führung.
In den besetzten Gebieten fand gestern ein Generalstreik statt, der von den Gegnern der Washingtoner „Autonomie“-Verhandlungen ausgerufen worden war. Der Streik dehnte sich auch auf die Flüchtlingslager im Libanon und in Jordanien aus. In den von Israel besetzten Gebieten blieben alle Schulen und Geschäfte geschlossen. Ein Flugblatt der Palästinenserorganisation Fatah, das sich gegen den Streik richtete, wurde ignoriert. Seit Anfang September war dies bereits der fünfte Generalstreik in der Westbank und der achte im Gaza-Streifen — Ausdruck der allgemeinen Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Verlauf der Washingtoner Verhandlungen. Auch innerhalb der Fatah, die die größte Fraktion innerhalb der PLO stellt, gibt es verschiedene Lager, und die Kritik an der Konzessionsbereitschaft der palästinensischen Delegation wächst.
Palästinensische Organisationen fürchten, daß die gegenwärtige Taktik Israels und der USA, durch Exklusivität und Zentralität der Verhandlungen mit Damaskus die Palästinenser immer mehr zu isolieren, erfolgreich sein könnte.
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