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Durchs DröhnlandEin mittelgroßes Stück Wüste in der Nähe von Graz

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Was soll man groß Worte über sie verlieren. Maureen Tucker, auch Mo genannt, war das ruhende Herz der Velvet Underground, der Klebstoff, der Cale und Reed zusammenhielt und zudem der Prototyp der erstzunehmenden Rockmusikern, die sich von den Vorzeigeweibchen durch eine demonstrative Asexualität abzuheben hatte. Seit sie ihren Mann und die vielen Kinder verlassen hat, macht die Schlagzeugerin solo vielleicht nicht gerade die beste Musik der Welt, aber es ist immer wieder schön, sie wiederzusehen.

Am 2.10. um 21 Uhr im Huxley's Jr., Hasenheide 108-114, Kreuzberg

Hier haben wir eine der intelligentesten Hardcore-Bands. Die Assassins of God spielen und morden alle verfügbaren Stile, setzen sie neu zusammen, lassen erst gar keine Gewöhnung aufkommen. Von langsamen Gitarrenballaden bis zu hyperventilierenden Jazzpunk-Stompern spielen sie alles und das meist auch noch in ein und demselben Stück. Das mag zwar anstrengend sein, aber weitet die Horizonte — persönliche wie musikalische — ungemein. Ebenfalls aus San Francisco stammen Sabot. Die Bands sind nicht nur freundschaftlich miteinander verbunden, man hat schon Mitglieder ausgetauscht, und man versucht sich auch an ähnlichem.

Am 2.10. um 22 Uhr im Ex, Gneisenaustraße 2a, Kreuzberg

Am Samstag gehen alle natürlich auf die Radio-4-U-Rettungsparty. Zwar beweist die Auswahl der Bands einigermaßen Geschmack (Plan B, Element of Crime, Fischer Z, N-Factor, Subway to Sally und Überraschungen), aber im Eintrittspreis ist eine CD mit dem 4-U-Rap enthalten. Und der ist das Schlimmste, was einem zuletzt passieren konnte, wenn man den Fehler machte, das Radio anzuknipsen.

Am 3.10. um 18 Uhr im Tempodrom, In den Zelten, Tiergarten

An sich wären die Paranioacs aus Belgien eine prima Gitarrenpopband mit klasse Melodien und vor allem einem geradezu unverschämt dreisten Drang zum platten Liedgut, wie man es in den letzten Jahren selten gehört hat. Sie schütteln die grandiosen Dummlappen-Songs nur so aus dem Ärmel, ohne mit der Wimper zu zucken, man muß sie lieben. Oder wer kann noch Zeilen wie »I do anything for you« zum Refrain erheben, ohne dabei im Erdboden zu versinken oder zumindest rot zu werden? Die Paranoiacs haben nur einen kleinen Fehler: Sie sind gut befreundet mit Dirk Felsenheimer, seines Zeichens Ex-Arzt und Jetzt-Depp Jones und ungefähr so interessant wie ein Loch in der Wand und sympathisch wie ein Loch im Kopf. Nun gut, niemand ist perfekt, und die Paranoiacs sind trotz alledem eine krankhaft gute Band. Diesmal unterstützt von Silverfish, die einen siebzigermäßig dümpelnden Hardrock mit leichten avantgardistischen Elementen spielen und vor allem durch ihre gemeingefährlich tief kreischende Sängerin auffallen.

Am 3.10. um 21 Uhr im Huxley's Jr

Irgendwie kennt sie kaum einer, aber irgendwie sind sie Helden: Citizen Fish. Zwar nicht eine der dienstältesten Punkrockbands, aber hervorgegangen aus diversen anderen Hardcore-Legenden: vor allem Subhumans und Culture Shock. Am Stil hat sich nicht viel geändert, auch Citizen Fish sind im modernen Vergleich eher zurückgenommen, beherrschen aber dafür eine ziemlich einmalige Mischung mit so ziemlich allem, aus was sich das letzte Jahrzehnt Punkrock speiste. Da wechseln sich hysterische Punk-Gitarren ab mit einem flockigen Ska- Beat, um von einem satten Metal- Riff eingestampft zu werden. Sänger Dick deklamiert — singen kann man das nicht nennen — dazu mit wenig variationsreicher Stimme seine Texte, von denen dadurch aber auch weniger abgelenkt wird. Er verteilt einfache Weisheiten unters Volk, die aber dadurch, daß sie primitiv sind, nicht weniger wahr werden: »There's a lot of people/ There's a lot of food/ There's a lot of money/ All being misused.« Woran man auch wieder hübsch den Hauptunterschied zwischen schwarzer und weißer politischer Musik erkennen kann: HipHop dient zur Aufklärung seiner Gemeinde, Punkrock hauptsächlich dazu, den bereits Bekehrten zu predigen.

Mit Wedding Tackle am 3.10. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

Wer den Split von Thin White Rope nicht verkraftet hat und sehnsüchtig auf die erste Solo-LP von Guy Kyser wartet, kann die Zeit mit Pure Laine überbrücken. Sänger Altziebler zerrt und dehnt und malträtiert seine Stimmbänder fast genauso beeindruckend, er läßt die Arbeit spüren, die hinter jedem Ton steckt. Auch wenn die Band nicht ganz so zähflüssig die Gitarrentöne zerrt und bei weitem rockiger ist, als es die letzten Thin-White-Rope-Sachen waren, auch wenn Pure Laine hin und wieder nicht an einem Altherrenrock-Fettnäpfchen vorbeikommen, bleibt es doch verwunderlich und ziemlich großartig. Irgendwo in der Nähe von Graz, mitten in Österreich, mitten in den Alpen muß ein mittelgroßes Stück Wüste liegen. Wie es da wohl hingekommen ist?

Am 3.10. um 22 Uhr im Tacheles, Oranienburger Straße 156, Mitte

Eigentlich waren die Stray Cats immer zu rückwärtsgewandt, zu sehr den Traditionen verhaftet. Um so trauriger, daß sie so ziemlich die einzigen sind, die übriggeblieben sind aus den glorreichen beginnenden achtziger Jahren, als die »Rocking Rones« reihenweise zu zucken begannen und in den verschüttetsten Gräbern das obskurste Vinyl ausgegraben wurde. Was gab es für großartige Bands, ob sie nun Rockabilly nur revivalten oder Psychobilly spielten. Gut, manche wie die Meteors und Restless gibt es immer noch, aber wen interessiert das? Aber wenn die Stray Cats, nachdem sie vier Jahre lang nur damit Schlagzeilen machten, daß Standschlagzeuger Slim Jim Phantom die ehemalige Rod-Stewart-Freundin Britt Eklund ehelichte, eine neue Platte machen, schreibt sogar die Praline drüber. Das Produkt heißt »Choo Choo Hot Fish« und ist genauso gut oder genauso schlecht wie alles, was sie bisher gemacht haben. Dabei hatten sie sich doch schon aufgelöst. Aber manchmal kann man auch gute Entscheidungen wieder rückgängig machen. Aber ich will nichts gesagt haben, auch wenn mir ihr Billy schon immer zu plüschig war.

Am 4.10. um 20 Uhr im Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg

In Spanien sollen sie angeblich als Kult-Band verehrt werden. Das, so vermuten sie selbst, liege wohl am dramatischen Aufbau ihrer Songs. Der Spanier hätte eben ein Gemüt, das gerne aufgewühlt werden möchte. Die Immaculate Fools verbinden auf das wunderhübscheste Sounds und Melodielinien des New Wave der Achtziger mit Pathos und Songstrukturen des Siebziger-Monsterrock. Daß ihnen dabei eine durchaus verdauliche Mischung gelingt, hat mich dann doch überrascht. Inzwischen auf einem Major gelandet, stehen ihnen auch die nötigen Mittel zur Verfügung, ihre Mini- Opern, die aber immer Pop bleiben, entsprechend beeindruckend umzusetzen.

Am 4.10. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg Thomas Winkler

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