: Anklage: Friedensstiftung
■ Strafe für Vermittlung zwischen Besetzern und Polizei?
zwischen Besetzern und Polizei?
Rechtsanwälte, die sich bei Hausbesetzungen als Vermittler einsetzen, müssen in Hamburg Strafe befürchten. Das Landgericht verurteilte vor einiger Zeit einen Anwalt, der durch Verhandlungen zwischen Besetzern eines seit Jahren leerstehenden Wohnhauses und der Polizei eine friedliche Abwicklung erreichte. Die Aktion wurde gewaltlos beendet.
Die Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft hatte aber nichts Eiligeres zu tun, als gegen den Anwalt, der sich als solcher ausgewiesen hatte und somit am besten greifbar war, Ermittlungen wegen Hausfriedensbruchs aufzunehmen. Denn – so die formale Begründung – der habe dazu beigetragen, daß die Hausbesetzung durch- und zuendegeführt wurde. Schließlich hatte er — im Innern des Gebäudes — Kontakt mit den Besetzern aufgenommen, ohne sie, wie ein Polizist, räumen zu wollen. Der rechtliche Leitsatz würde also lauten: Jeder, der in ein (schon) besetztes
1Haus geht, macht sich strafbar. Ob er dies als Freund, Familienangehöriger, Versicherungsvertreter, Seelsorger, Journalist oder eben Anwalt tut, ist unerheblich. Nur Polizisten, die zu Zwecken der Räumung eintreten, bleiben von diesem Verdikt verschont.
Diese Rechtsauslegung hat das Landgericht – bisher nur in diesem Einzelfall – leider gebilligt. Sollte dies feste Rechtssprechung werden, bestünde ein gerichtlich sanktioniertes Vermittlungsverbot bei solchen Konflikten. Menschen, die mit beiden Seiten sprechen können und als Vermittler akzeptiert würden, werden mit Strafe bedroht und damit natürlich abgeschreckt. Die Folge: Gespräche und Verhandlungen finden nicht statt, Kontakte gibt es nur über Megaphon oder Transparente. Eskalation bis hin zur gewalttätigen Auseinandersetzung (auch seitens der Polizei im Eifer des Gefechts „zum Selbstschutz“) ist vorgezeichnet.
Glücklicherweise scheint ein Umdenken eingesetzt zu haben, wie die Aktionen auf der Stresemannstraße und das Eingehen der Verkehrsbehörden darauf gezeigt haben und hoffentlich noch mehr zeigen werden. Aber der Staatsschutz bei Polizei und Staatsanwaltschaft führt bekanntlich die Fehden mit seinen Lieblingsfeinden auf strafrechtlicher Ebene weiter, unbeeindruckt davon, ob die Fachbehörden in der Sache einlenken. Gegen andere Anwälte wird weiter ermittelt. Vielleicht steht bald wieder einer vor einem Richter, angeklagt der Friedensstiftung. justus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen