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Brötchen für leere Mägen

■ St. Georg: Angehörigeninitiative gibt Lebensmittel an Junkies aus

Wie an unsichtbaren Fäden gezogen bewegen sich die Jugendlichen am Hauptbahnhof auf die Frauen im Eingang Kirchenallee zu. „Könnte ich auch so ein Päckchen haben?“ Erwartungsvolle Blicke in die Körbe und Kisten, die mit 200 Lebensmittelpaketen gefüllt sind. Keine halbe Stunde dauerte es vorgestern abend, da waren Brötchen, Kakao, Obst und Yoghurt unter die Drogenabhängigen am Bahnhof verteilt.

Zum zweiten Mal gaben Mütter aus der „Eltern- und Angehörigeninitiative für akzeptierende Drogenarbeit“ in St.Georg Lebensmittel an Junkies aus. „Wir haben alle süchtige Kinder und wissen, daß sie ihr Geld statt für Essen für den nächsten Druck ausgeben“, erklärt Marcella Papenmeyer ihre Motive. Überschwengliche Reaktionen erwarten die Mütter nicht für ihr Engagement, dennoch kommen viele der Jugendlichen vorbei und bedanken sich für das unerwartete Geschenk. Der Inhalt der Tüten verschwindet sofort in den leeren Mägen. Nur die anwesenden Polizisten beobachten das Treiben mit Stirnrunzeln.Sie fühlen sich eher gestört.

Einige der Jugendlichen nutzen die Chance, nicht nur ihren Hunger nach Brot, sondern auch den nach ein paar tröstenden Worten zu stillen. „Ich haben niemanden, mit dem ich reden kann,“ erzählt Olaf (Name geändert), „meine Eltern wollen nichts mehr mit mir zu tun haben.“ Erst zwanzig Jahre alt ist er und schon seit sieben Jahren auf Droge. „Versuch es mit einer Therapie“, fleht eine der Mütter ihn an. Er winkt resigniert ab. „Elf Entzüge habe ich gemacht und zwei Therapien versucht“, auch im Knast hat er ein halbes Jahr wegen seiner Sucht gesessen. „Da war ich clean“, meint er. Seine Hoffnung: Eine Methadonbehandlung. Bislang hatte er aber kein Glück: „Die haben gesagt, dafür sei ich zu jung.“

Einer der vielen Junkies, die die Mütter vermutlich auch bei ihrer nächsten Aktion wieder am Hauptbahnhof antreffen werden. Jeden ersten Mittwoch im Monat wollen sie sich dort um 20.15 Uhr treffen. sako

Die Initiative bittet (auch Geschäftsleute) um finanzielle- oder Sachspenden. Telefon: freitags im Büro 4303200, oder privat: 04152/6323

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