: Von Bayern und Breissn
■ "Ein Wadenbeißer und Luftfahrtlobbyist" von Jürgen Gottschlich, taz vom 29.9.92
„Ein Wadenbeißer und Luftfahrtlobbyist“ von Jürgen Gottschlich, taz vom 29.9.92
Mandatiert von zahlreichen Bayern, darf ich Ihnen unser tiefes Befremden über Ihre extrem bayernfeindlichen Äußerungen anläßlich des Vorganges Riedl nahebringen. Die Behauptung, jener „sieht aus wie Bayern“, ist nicht nur eine gröbliche Beleidigung von 99,92 Prozent der hiesigen Bevölkerung, sondern auch eine Geschichtsklitterung. Die Urahnen der Bayern sind bekanntlich als syrische Haarauszupfer, Masseure, Bademeister und Marketenderinnen im Gefolge der römischen Truppen vom Morgenland bis an den Limes gelangt und beim Rückzug derselben dort an der Donau hängengeblieben („Limesschrott“). Deshalb ist hierzulande der mit dunklem Teint und geschneckelten schwarzen Haaren ausgestattete Typus wesentlich häufiger anzutreffen als die rotgesichtige, bleichhaarige Spezies Riedl.
Ich würde den von Ihnen so verfehlt Porträtierten eher für einen emigrierten preußischen Staatsdiener halten, wie sie leider zuhauf rund um die bayerischen Seen siedeln, sich in Tracht kleiden, bei der CSU reüssieren und dann den hiesigen Bürgern durch ihr besserwisserisches Wesen auf den Geist gehen. In Wahrheit ist Riedl aber in Cheb geboren, womit nichts gesagt sein soll, und hat sich in Franken fortzuentwickeln versucht, womit auch nichts gesagt sein soll. Aber ... wie Bayern — niemals!
Ferner haben Sie unterschlagen, daß Riedl am Ruin des von den Bayern (in diesem Fall nicht den arroganten Rot-Weißen) überaus geschätzten TSV 1860 München nicht unbeteiligt war und einem bayerischen Parteifreund namens Hundhammer mit der gotteslästerlichen Bezeichnung „Drecksack, katholischer“ ebenso herabgesetzt hat wie Sie die weißblauen Landeskinder. Dabei war die Auslandsberichterstattung bisher doch eine Stärke der taz.
Um Ihnen die Mittel an die Hand zu geben, Ihre Wissenslücken mit profunder, möglichst im Land Ihrer Todsünde zu absolvierender Fortbildung zu schließen, werben wir weiter unentwegt taz- Abonnenten, die so aussehen wie Bayern. Mit landesüblich freundlichen Grüßen Michael Stiller, Süddeutsche
Zeitung, München
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