: Blitzen in den hinteren Augenwinkeln
■ Hille Darjes bringt Virginia Woolf „Ein Zimmer für sich selbst“ heraus
Hille Darjes war Mitgründerin, 'Außenministerin' und Schauspielerin der Bremer Shakespeare Company. „Ein Zimmer für sich allein“ ist Hille Darjes erstes Stück für sich allein, Übersetzung, Bühne, Spiel, Eintrittskarten, alles ist von ihr.
Taz : Warum haben Sie den Text noch einmal übersetzt?
Hille Darjes: Weil die Übersetzung vollständig humorlos war. Für mein Gefühl fehlt ihr dieses Blitzen in den hinteren Augenwinkeln, mit diesem schönen, unübersetzbaren Wort: sophisticated Ironie. Und dann, wenn Sie übersetzen dafür, daß man Mrs. Virginia Woolf direkt beim Denken zusehen kann, ergibt sich eine andere Sprache. Zum Beispiel der Satz „Those who read books“ heißt korrekt übersetzt „Jene, die Bücher lasen“. Wenn Sie im Deutschen das Wort „jene“ benutzen, dann verstecken sich Ihre Zuschauer längst hinter den Stachelbeerbüschen. Der ganze Sprachgestus ist bei mir ein direkterer. Das ist ja ein Redetext, Virginia Woolf hat das 1928 in Cambridge als Rede gehalten und 1929 ein Buch daraus gemacht. Und gerade für diesen Text habe ich mit Hans Helge Ott, mit dem ich bei Rundfunkaufnahmen zusammengearbeitet habe, den idealen Regisseur gefunden. Er „drückt“ überhaupt nicht „drauf“. Als Schauspieler haben Sie ja oft das Gefühl, Sie müssen (betont stark) etwas stärker betonen, damit die Leute es besser begreifen. Das bewirkt aber, daß die weiter zurück gehen und sagen: Bitte lassen Sie mich in Ruhe. Hans Helge Ott hat dafür
Hille DarjesPhoto: Frank Pusch
ein unglaublich feines Ohr, die Leute in Ruhe zu lassen und sie grad dadurch zu erwischen.
Wie bringen Sie das auf die Bühne. Setzen Sie sich auf einen Stuhl und los?
Nein. Mir ging es sehr darum zu zeigen, daß dieser Vortrag 1928 gehalten wird und nicht
hier die Frau
1992. Ich wollte nicht sagen, dies ist alles haargenau so wie heute. In den 64 Jahren, die vergangen sind, ist für die Frauen sehr viel passiert. Es werden sehr viele Bücher von Männer und von Frauen geschrieben inzwischen, fast gleichviele. Die meisten Frauen haben ein Zimmer für
sich allein und 500 Pfund im Jahr, haben natürlich auch noch viele traditionelle Anbindungen. Mein Vortrag findet 1928 statt. Ich halte ihn aber jetzt. Und ich habe überlegt, wie kann ich diese Zeit dazwischen deutlich machen. Der Sprung in die Zeit zurück war mir sehr wichtig. Ich habe versucht, mir einen künstlichen Ort zu schaffen. Meine wenige Möbel sind blau, mein Kostüm ist blau, mein Manuskript ist blau,...
Fliederblau?
Nein, verschiedene Blaus. Ich hoffe auch, daß es die Leute anregt nachzudenken, auch über die Fortschritte, die wir, die andere für uns gemacht haben, die auch der Krieg gebracht hat.
Es ist aber massig geblieben, was noch gilt und ich bin immer wieder begeistert davon. Virginia Woolf veranschlagt 100 Jahre dafür, bis Frauen dahin kommen, so „weißglühend“ zu sein und zu schreiben — sie sagt das über Shakespeare — daß alle Betroffenheiten herausgebrannt sind und man nicht mehr anklagend dastehen muß und schreien muß: Mir ist Unrecht geschehen! Die Dinge selbst schreiben, ohne es den Leuten ins Gesicht zu werfen, das ist ihre Forderung, und auf diesem Weg ist sie einen riesigen Schritt voran gekommen. Aber es ist ist ein langer Weg, ich berichte nicht über etwas, das hinter uns läge. Gespräch und Text: Uta Stolle
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