: Südafrika. Transitions. Übergänge.
Das Filmfestival zeigt, daß die weiße Sicht auf schwarze Probleme dominiert ■ Von Jürgen Francke
Die Filme heißen „Taxi To Soweto“, „Come Back Africa“, „The Leader, His Driver And The Driver's Wife“ oder „Wheels And Deals“. Hierzulande sind die Filmproduktionen aus der Republik Südafrika weitgehend unbekannt. Sie beschäftigen sich alle mit der schwierigen Situation im Land am Kap. Apartheid, Unterdrückung, Rechtsextremismus und Zensur. „Transitions — Übergänge“ heißt der Titel eines Südafrika-Filmfestivals, das das Kommunalkino Bremen zusammengestellt hat und nun in mehreren deutschen Städten gezeigt wird. Das Filmwesen in der Republik Südafrika ist auch heute noch, in der Phase der vorsichtigen Liberalisierung, monopolistisch organisiert. Schwarze RegisseurInnen haben in diesem System bisher keine Möglichkeiten der Entfaltung. Die Beiträge des Festivals spiegeln diese Situation wider. So ist keiner von den Filmen im Programm von einem Schwarzen in Regie entstanden. Zwar behandeln viele Filme schwarze Themen, doch die Sichtweise ist immer eine weiße. Jürgen Schadeberg, 61, ein gebürtiger Berliner, lebt seit über 40 Jahren in der RSA. In Johannisburg ist er Herausgeber eigener Fotobücher und Regisseur von Dokumentarfilmen, die er auch für das englische und deutsche Fernsehen produzierte.
Er ist beim Südafrika-Filmfestival mit „Have You Seen Drum Recently?“ zu sehen. Die taz sprach mit ihm über die Situation des südafrikanischen Films.
taz: Filmemachen in der Republik Südafrika: Hat sich seit dem nationalen Friedensvertrag im letzten Jahr, den Mandela, Buthelezi und Regierungschef de Clerk aushandelten, etwas verändert?
Jürgen Schadeberg: Die Schwierigkeiten, in Südafrika Filme zu machen, haben natürlich mit 40 Jahren Unterdrückung, Zensur und Indoktrination zu tun. Das löst sich erst ganz allmählich auf. Auch heute noch ist die Finanzierung für einen freien Regisseur sehr schwierig, ebenso wie den fertigen Film überhaupt in die Kinos zu bringen. Manchmal bekommt man nicht einmal die Genehmigung, anzufangen. Die neue Demokratie ist schön und gut, aber sie muß sich auch in den Köpfen der Geldgeber und Filmverantwortlichen etablieren. Das geht nicht von heute auf morgen.
Wo sind oder waren die konkreten Schwierigkeiten?
Lassen Sie mich ein Beispiel geben. Zwischen 1982 und 1991 wurden in Südafrika 836 Spielfilme gemacht. Allein 1988 waren es 170 Produktionen. Die Hälfte davon wurde vom Staat subventioniert, der Rest war zum großen Teil steuerbefreit. Das waren bis auf wenige Ausnahmen „Junk-Filme“ oder „B-Movies“, die nur gemacht wurden, um Geld in die Taschen einer ganz kleinen Gruppe von Leuten zu bringen. Davon sind überhaupt nur zwei oder drei Prozent auf die Leinwand gekommen, vielleicht weitere zehn bis zwanzig Prozent in den Videozirkus, und die anderen sind in Schubladen verschwunden. Das Geld dafür landete bei den weißen Machern.
Bei 170 Filmen in nur einem Jahr, wo es in Südafrika aber nur ausreichend Techniker für fünf oder sechs Produktionen gibt, hat man die Mitarbeiter kurzerhand aufgewertet. Aus einem Focus- Puller machte man einen Kameramann. Das waren alles Weiße, die bei diesem Ramsch mitverdienten. Filme mit schwarzen Mitarbeitern, oder solche, die einen politischen Anspruch hatten, wurden mit weniger als Nichts hergestellt.
Ist das der Grund, warum beim Südafrika-Filmfestival alle Beiträge von weißen Regisseuren stammen? Gibt es keine schwarzen RegisseurInnen?
Seit 40 Jahren existiert die offizielle Apartheid, mal abgesehen von einer sozialen Apartheid, die es natürlich schon länger gab. Schwarze hatten da überhaupt keine Chance, ins Geschäft zu kommen. Wo sollten sie eine Ausbildung bekommen? Das fängt jetzt langsam an, daß einzelne Schwarze ihre eigenen Filme machen. Aber das sind immer noch reine Low-Budget-Produktionen, etwa auf der Ebene von Studentenfilmen. Es gibt einfach keine ausgebildeten Leute, die eine Produktion mittragen können. Stellen Sie sich vor, Sie beginnen einen Film, der soundsoviel Rand oder Dollars kostet, und Sie können sich nicht hundertprozentig auf ihre Mitarbeiter verlassen. Nicht etwa, weil sie menschlich unzuverlässig sind, sondern weil denen jedes Basiswissen fehlt. Niemand hat sich je darum gekümmert. Das allerwichtigste ist in dieser Phase, daß besonders Schwarze ausgebildet werden, und zwar bei den Filmgesellschaften und im Hochschulbereich gleichermaßen.
Es gibt unzweifelhaft eine schwarze Intelligantia in der RSA. Warum haben sich Schwarze nicht im Filmgeschäft durchsetzen können?
Das ist wieder mal eine Frage des Geldes. Natürlich gibt es eine Menge hervorragender Schriftsteller, Wissenschaftler oder auch Politiker. Aber sich hinzusetzen und zu studieren ist nun mal etwas ganz anderes, als einen Film zu machen. In Südafrika gibt es noch viele britische Einflüsse, auch in der Kultur. Da geht es sehr akademisch zu. Aber Filmen ist in erster Linie ein Handwerk, erst dann kommt die Kunst. Da wären wir wieder beim Problem. Jemanden in der Schule Bücher lesen zu lassen, kostet weniger, als ihn für das Filmbusineß auszubilden.
Welchen Zensur-Problemen standen Sie persönlich gegenüber?
Ich habe vor zwei Jahren ein Drehbuch geschrieben über die Geschichte des Scharzen-Magazins DRUM und den Journalisten Marlowe, der sich unter anderem investigativ mit den Bedingungen in Gefängnissen befaßte. Der Film sollte mit französischem Geld produziert werden, so cirka 4,5 Millionen Dollar. Bei Auslandsfinanzierungen müssen laut Gesetz auch einige Ausländer mitarbeiten. Deren Arbeitserlaubnis bekommen Sie aber nur nach Einreichung des Scripts bei einer Regierungsstelle. Die haben das Drehbuch abgelehnt. Da hatten wir aber schon die Kulissen gebaut und Proben gemacht. Das war alles für die Katz. Zunächst wollten sie überhaupt nicht mit uns reden.
Dann bekamen wir fadenscheinige Begründungen und mußten aufhören. Andere Regisseure haben den Behörden falsche Drehbücher vorgelegt, entschärfte, die dann genehmigt wurden und haben das richtige verfilmt. Dazu war ich wohl zu ehrlich.
Wo gibt es denn eine Zusammenarbeit von Schwarzen und Weißen?
Da gibt es schon seit vielen Jahren gute Kontakte, das ist nur alles noch sehr isoliert. Das „Market Theater“ ist eine gemischte Gruppe, die sich offensiv mit politischen Themen befaßt und viel aneckt. Auch im Filmbereich kennen sich da ein paar Leute. Aber wie gesagt, flächendeckend ist das noch lange nicht. Dazu kommt, daß das südafrikanische Publikum mindestens zu achtzig Prozent amerikanische Filme bevorzugt. Da kommen oft Scharze und Weiße zusammen vor, das regt niemanden mehr auf.
Nur in der RSA selbst sind die Zeiten des „Immorality Act“, wo es neun Monate Gefängnis für intime Beziehungen zwischen den Rassen gab, noch nicht vergessen. Das Gesetz ist zwar aufgehoben, aber besonders auf dem Lande haben die Hardliner immer noch das Sagen.
Weitere Termine des Südafrika- Filmfestivals: Hannover, Kommunales Kino: bis 16.11. Freiburg, Kommunales Kino: bis 11.11. Köln, Südafrika-Komitee: 20.11. und 21.11. Zentrum Lübeck: bis 12.11. Hamburg, Metropolis, Lichtmeß, Völkerkundemuseum: 3.11 bis 3.12. Berlin, Sputnik, November/Dezember.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen