Militärischer Müll für Salzgitter

Bei der Erörterung zum Atommüllendlager ging es bisher um Verfahrensfragen/ Greenpeace sieht Verstoß gegen Atomrecht  ■ Aus Salzgitter Jürgen Voges

„Mein Wille geschehe“, ist unter dem Großporträt von Klaus Töpfer zu lesen, das direkt über den Köpfen der Verhandlungsleiter aus dem niedersächsischen Umweltministerium hängt. Hinter und neben dem Podium der niedersächsischen Genehmigungsbehörde reiht sich ein AntiSchacht-Konrad-Plakat an das andere.

Dr. Bruno Thomauske, Leiter des Endlagerprojektes beim Bundesamt für Strahlenschutz, stellt der Genehmigungsbehörde eine Frage: „Auf welcher Rechtsgrundlage wollen sie eigentlich noch tätig werden?“ Und der niedersächsische Verhandlungsleiter Christoph Schmidt-Eriksen antwortet lapidar: „Auf Grundlage des einfachen Planfeststellungsrechts.“

Doch diese Antwort hat es in sich. Schließlich haben die Vertreter des Landesumweltministeriums gerade klargemacht, daß sie die Einlagerung von Wiederaufarbeitungsabfällen in dem Schacht höchstens unter strengen Auflagen zur „Produktkontrolle“ zu genehmigen gedenken. Weil aber diese WAA-Abfälle im Ausland, in La Hague und Sellafield, anfallen, gibt es nicht nur bei den Niedersachsen Zweifel, ob eine den bundesdeutschen Maßstäben genügende Kontrolle der Produktion und Konditionierung dieses Atommülls je möglich sein wird.

Die ausländischen Wiederaufarbeiter wehren sich bisher dagegen, bundesdeutsche oder vom Bundesamt für Strahlenschutz beauftragte Experten in ihren Anlagen zuzulassen. Über „Vertragsverhandlungen“ ist das Bundesamt für Strahlenschutz in diesem kritischen Punkt bisher nicht hinausgekommen.

Um sicher zu wissen, was in einem Abfallgebinde enthalten ist, müßte eine Kontrolle aber schon bei der Verpackung der Abfälle beginnen. Deswegen haben die Vertreter des niedersächsischen Umweltministeriums gerade angekündigt, daß unabhängige, von deutscher Seite beauftragte Experten direkt in den ausländischen Wiederaufarbeitungsanlagen kontrollieren, bevor der Müll in den Schacht Konrad geschafft wird. Eine entsprechende Auflage könne ein Planfeststellungsbeschluß durchaus enthalten.

Behandelt werden an diesem Donnerstag zum ersten Mal auch inhaltliche Themenbereiche wie Entsorgungskonzept, Abfälle und Endlagerungsbedingungen. Hierzu hat bisher vor allem Greenpeace seine Bedenken vorgetragen. Geklärt werden sollte zunächst, welche Art radioaktiver Müll genau zur Einlagerung in Schacht Konrad vorgesehen ist, und Greenpeace rückte dabei den WAA-Müll aus Frankreich und England in den Mittelpunkt, den die Bundesrepublik im Gegenzug für die Auslandswiederaufarbeitung bundesdeutscher Brennelemente zurücknehmen muß.

Welche Art von Müll während der vierzigjährigen Einlagerungszeit aus Frankreich und Großbritannien nach Salzgitter geliefert werden soll, vermochten allerdings auch zwei Tage Erörterung nicht zu klären. In Frankreich, so machte der Greenpeace-Sachverständige Mycle Schneider vom Pariser „World Information Service on Energy“ klar, werden seit langem auch schwachaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung bundesdeutscher Brennelemente oberflächennah endgelagert. Die Bundesregierung beteuerte bisher zwar stets, daß alle WAA-Abfälle dem deutschen Atomgesetz entsprechend nach Deutschland zurückgebracht würden. Doch an ein Wiederausbuddeln der in Frankreich endgelagerten Abfälle glaubt ernsthaft niemand. Der britische Wiederaufarbeiter BNFL, so bestätigte Greenpeace-Sachverständiger David Lowry noch einmal, plant bereits jetzt, anstelle des schwach- und mittelaktiven Mülls aus der Aufarbeitung bundesdeutscher Brennelemente eine entsprechende Menge hochaktiver Abfälle in die Bundesrepublik zurückzuschicken. Außerdem ist in den ausländischen WAAs, die auch militärisch genutzte Anlagenteile haben, laut Greenpeace-Experten eine Trennung der Abfällströme verschiedenster Herkunft nicht möglich. „Es kommt am Ende alles in einen Topf“, wie Greenpeace- Mitarbeiter Andreas Schwonke sagte. Darüber hinaus hat bisher nicht einmal das Bundesamt für Strahlenschutz ausgeschlossen, daß im Schacht Konrad militärische Abfälle eingelagert werden. Gestern wurde die Erörterung erst um 15 Uhr fortgesetzt. Nach Rücksprache mit dem Bundesumweltminister hatte die Versammlungsleitung bis dahin über den 34. Antrag auf Aussetzung oder Abbruch des Erörterungstermins zu entscheiden, und sie hat ihn sicher, wie Klaus Töpfer es will, abgelehnt.

Um dem Atomminister einzuheizen, werden sich heute in Salzgitter Schacht-Konrad-GegnerInnen zur bundesweiten Demonstration treffen.