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„Die Kurve weist exponentiell nach oben“

■ Hendric Hallay vom Beriner IÖW-Institut zum Nutzen des Umwelt-Controlling

taz: Wie viele Unternehmen praktizieren derzeit das Umwelt- Controlling?

Hendric Hallay: Es sind rund 50 mittelständische Unternehmen. Allerdings läuft das nur bei der Hälfte unter dem Namen Umwelt- Controlling, die anderen nennen es Öko-Bilanzierung oder Umweltmanagement. Dazu gehört etwa Wilkhahn, der Büromöbel-Hersteller, oder der Beinbekleider Kunert. Man sollte jedoch nicht vergessen, daß alles erst vor fünf Jahren mit dem Verpackungshersteller Bischof & Klein begann.

Was läßt sich nach den Erfahrungen mit Umwelt-Controlling über den Erfolg aussagen?

Grundlage des Controlling ist die Erfassung der Stoff- und Energieströme, die in ein Unternehmen hinein- und wieder hinausfließen. Das Umwelt-Controlling ist also ein ökologisches Informationssystem, das Schwachstellen aufdecken soll. Der Energie- und Materialverbrauch für die Einzelprodukte hat mit dem Öko-Controlling abgenommen. Da aber ein wachsendes Unternehmen immer mehr produziert, wird dieser Fortschritt häufig wieder aufgezehrt. Deshalb hält sich die Gesamtbelastung der Umwelt etwa die Waage. Pro Produkteinheit jedoch schneiden jene Unternehmen mit Öko- Controlling natürlich besser ab.

Verdienen denn die Firmen daran?

Es gibt Kostenvorteile durch Materialeinsparung bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen. Das Öko-Controlling legt da Einsparpotentiale frei – das gilt insbesondere für die Energie. Außerdem fallen geringere Gebühren durch weniger Abfälle und Abwässer an. Die Investitionen ins Umwelt- Controlling, das können wir sagen, haben sich spätestens nach ein bis zwei Jahren amortisiert. Der wichtigste Bereich ist jedoch die langfristige Sicherung von Investitionen. Ein Mittelständler etwa, der mit Lösemitteln umgeht, muß die TA- Luft einhalten. Eine entsprechende Anlage kostet Geld, und Vorschriften dieser Art werden künftig noch strenger. Wir sagen den Betrieben: Berücksichtigt die Forderungen, die ohnehin in vier oder fünf Jahren auf euch zukommen, das verschafft euch eine größere Unternehmenssicherheit.

Ist denn das Umwelt-Controlling für Firmen nicht vor allem ein Werbeinstrument?

Die Unternehmen können sich selbstverständlich als umweltfreundlich darstellen. Doch das gelingt ja heutzutage auch vielen Firmen, die gar nicht so sauber sind. Als PR- und Werbeinstrument spielt das Umwelt-Controlling deshalb eine untergeordnete Rolle. Was vielmehr zu Buche schlägt, ist das Risiko-Management. Wenn es zu einer Giftkatastrophe wie bei Sandoz kommt, bleibt das ewig am Firmenimage haften. Dem beugt das Umwelt-Controlling vor. Und: Es sorgt für Transparenz. Kleinere Unternehmen sind häufig Zulieferer für die Großindustrie; die Großen wälzen ihre Umweltprobleme auf die Kleinen ab. Zum Beispiel sind jetzt bei Conti-Gummi die ersten Autoreifen von VW zum Recycling zurückgekommen. VW verlangt von Conti eine Wiederverwertungsgarantie. Conti muß sich binnen eines halben Jahres etwas einfallen lassen – fast unmöglich, denn Gummi ist in dem Maße gar nicht wiederverwertbar. Die Input/Output-Bilanz deckt natürlich solche Beziehungen auf.

Fünfzig Unternehmen hierzulande – das ist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Läßt sich prognostizieren, wie viele Unternehmen in den nächsten Jahren das Controlling anwenden werden?

Die Kurve weist exponentiell nach oben – eine Größenordnung, die in die Tausende geht. Was diese Tendenz verstärken wird, ist das in Deutschland geplante Umwelt-Gesetzbuch. Der Paragraph 14 des Entwurfs verpflichtet alle Unternehmen, die eine Kapitalbilanz erstellen, auch Umweltberichte zur Erfassung der Stoff- und Energieströme vorzulegen. Aber das wird noch dauern. Als nächstes erstellt das Umweltministerium in Niedersachsen einen Leitfaden über Umwelt-Controlling zunächst für die Möbel-, und vermutlich auch für die Metallindustrie. In zwei Jahren wird es ein umfassendes Handbuch für alle Branchen geben, an dem das Umweltbundesamt gegenwärtig arbeitet. Die Entwicklung macht auch nicht an Deutschlands Grenzen halt. Auf EG-Ebene gibt es Überlegungen zu einem freiwilligen „Umwelt- Audit“, einer Abschätzung seitens der Unternehmen über die ökologischen Folgen ihrer Produktion. Zwar ist das weniger streng, aber allemal besser, als was derzeit in europäischen Firmen üblich ist. Die freiwilligen Unternehmen sollen dann in ein Label aufgenommen werden. Interview: Thomas Worm

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