: Bonn: Keine Sanktionen wegen Rushdie
■ Irans Mordaufruf gegen Salman Rushdie wird von Bundesregierung weiterhin nur verbal verurteilt
Bonn (taz) – Die Bundesregierung ist offensichtlich nach wie vor nicht bereit, den Mordaufruf gegen Salman Rushdie mit Sanktionen zu beantworten. Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Ursula Seiler-Albring (FDP), verurteilte gestern in einer aktuellen Stunde des Bundestages den Mordaufruf mit scharfen Worten und forderte von der iranischen Regierung eine klare Distanzierung. Zu den von SPD, Grünen und Teilen der CDU geforderten Sanktionen schwieg sich die Staatssekretärin jedoch aus. Der einzige konkrete Schritt, auf den das Außenministerium gestern hinwies, betrifft das deutsch-iranische Kulturabkommen. Vier Bundesländer müßten noch zustimmen, bis der Vertrag in Kraft treten könne, sagte ein Sprecher. „Wir drängen die Länder nicht.“
Das Auswärtige Amt biete nur „wohlklingende Worte“, kritisierte der CDU- Abgeordnete Friedbert Pflüger in der von CDU und FDP beantragten aktuellen Stunde. „Wer sich von Gewaltdrohungen aus dem Ausland einschüchtern läßt“, so Pflüger, „wird auch im Inland kein überzeugter Verfechter von Grundrechten sein.“ Pflüger und sein Fraktionskollege Heinrich Lummer sprachen sich dafür aus, das Kulturabkommen auf Eis zu legen und den iranischen Botschafter zur „persona non grata“ zu erklären. Ein Kulturabkommen mit Verfechtern der „Unkultur“ sei schlecht denkbar, erklärte Lummer.
Dieselben Sanktionen wurden auch von Rednern der SPD verlangt. Der iranische Botschafter habe es „in verklausulierter Weise begrüßt“, daß das Kopfgeld nach Rushdies Deutschland-Besuch auf zwei Millionen Dollar aufgestockt worden sei, kritisierte der SPD-Abgeordnete Freimut Duve. Die Draufgabe auf das Kopfgeld sei „eine Art geistiger Kriegserklärung an die deutsche Demokratie“.
„Der Iran muß politisch und ökonomisch für das Leben Rushdies in Haftung genommen werden“, forderte die SPD- Abgeordnete Thea Bock, die Rushdie zu seinem Besuch vergangene Woche in Bonn eingeladen hatte. Vera Wollenberger (Bündnis 90/Grüne) forderte von der Bundesregierung die Ausweisung des Botschafters. Daneben solle Deutschland, jetzt der größte Handelspartner des Irans, alle Wirtschaftsabkommen kündigen und das Inkrafttreten des Kulturabkommens aufschieben.
Die FDP-Abgeordneten Burkhard Hirsch und Gerhart Baum deuteten die Forderung nach Sanktionen lediglich an. Hirsch bezeichnete Rushdies „Satanische Verse“ als „zum Teil ausgesprochen schlechte Literatur“. Eine Verletzung religiöser Gefühle könne nicht seinen Beifall finden, meinte Hirsch. „Ebenso“ verurteilungswürdig sei der iranische Mordaufruf. Weniger zweideutig äußerte sich Gerhart Baum. Es dürfe niemals der Eindruck entstehen, daß Menschenrechtsfragen hinter wirtschaftlichen Beziehungen zurückstehen, sagte er. Man müsse jetzt ernsthaft überlegen, welche „Konsequenzen“ für die kulturellen, wirtschaftlichen oder politischen Beziehungen zwischen Deutschland und dem Iran zu ziehen seien. Gegen Wirtschaftssanktionen wandte sich die PDS-Abgeordnete Angela Stachowa. Rushdie selbst habe diese Forderung nicht erhoben. hmt
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