■ Mit Ray MacSharry auf du und du: „Mac the knife“ wird Fleischer
Dublin (taz) – Die Karriere Ray MacSharrys ist ebenso lang wie illuster: Der 54jährige aus der Grafschaft Sligo im Nordwesten Irlands arbeitete früher als Transportarbeiter, Auktionator, Bauer und Fuhrunternehmer. Schon früh war er der größten irischen Partei Fianna Fáil (Soldaten des Schicksals) beigetreten. Er, der einem Temperenzlerorden angehört und Alkohol verdammt, galt in den siebziger Jahren als enger Vertrauter des damaligen irischen Regierungschefs Jack Lynch.
In Wirklichkeit war MacSharry hinter der Bühne jedoch damit beschäftigt, eine parteiinterne Revolte mitzuorganisieren, die im Dezember 1979 schließlich Charles Haughey an die Partei- und Regierungsspitze brachte. Haughey belohnte ihn mit dem Posten des Landwirtschaftsministers und ernannte ihn drei Jahre später für kurze Zeit zum Finanzminister.
Als Fianna Fáil 1987 nach einer vierjährigen Oppositionszeit wieder an die Macht kam, wurde MacSharry, zwischenzeitlich Europa-Abgeordneter, zum zweiten Mal Finanzminster. Er übernahm einen maroden Staatshaushalt mit der höchsten Verschuldung in der irischen Geschichte. Die hatte ihre Wurzeln freilich bereits in der katastrophalen Wirtschaftspolitik Fianna Fáils in den siebziger Jahren. MacSharry versuchte, die Staatsausgaben durch drastische Kürzungen vor allem im Gesundheits- und Bildungsbereich unter Kontrolle zu bekommen. Das brachte ihm den Spitznamen „Mac the Knife“ ein – Mackie Messer. Seine offene Bewunderung für den irischen Unternehmer Larry Goodman, den ehemals größten Fleischexporteur Europas, trug ihm weitere Kritik ein. Goodman, dessen Firma inzwischen unter Konkursverwaltung steht, wurde vorgeworfen, mit Hilfe von Günstlingswirtschaft seitens Fianna Fáils und gefälschten EG-Stempeln ein Vermögen auf Kosten der SteuerzahlerInnen gemacht zu haben.
MacSharrys Ruf, den Rotstift rücksichtslos zu handhaben, prädestinierte ihn geradezu für das Amt des EG-Landwirtschafts-Kommissars, das er im Dezember 1988 übernahm. Sein neuer Aufgabenbereich beinhaltete die Vollendung der EG- Agrarreform. Mit der Senkung der Quoten für Fleisch, Milch und Getreide machte sich MacSharry in seinem Heimatland, das weit stärker als andere EG-Länder von der Landwirtschaft abhängt, äußerst unbeliebt.
Als sein Freund Haughey Anfang des Jahres wegen verschiedener Skandale zurücktreten mußte, galt MacSharry als Favorit für die Nachfolge. Doch er blieb bei seiner Entscheidung, am 3. Januar nächsten Jahres von der politischen Bühne abzutreten. Danach will er sich neuen Aufgaben in der privaten Wirtschaft zuwenden – vor allem in der Fleischindustrie. Ralf Sotscheck
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