US-Weintrinker bringen Frankreichs Bauern ein Opfer

■ Bush belegt französische Weißweine mit Strafzöllen/ Europa fürchtet den Handelskrieg

Genf/Berlin (taz) – Jenseits des Atlantiks feierte eine kleine Minderheit den neuen Handelskrieg zwischen der EG und den USA: jene Weinhändler, die in Erwartung der schon lange angekündigten Strafzölle rechtzeitig große Lager für europäische Weine angelegt hatten. Aufgescheucht durch die Nachricht, daß die US- Regierung vor allem französische Weine ab 5. Dezember mit einem zweihundertprozentigen Strafzoll belegen will, stürmten die amerikanischen Gourmets den Fachhandel, um die edlen Tropfen noch zu erschwinglichen Preisen zu bunkern.

In Genf, Brüssel, London, Paris und Bonn wuchs derweil die Angst vor einer Ausweitung des transatlantischen Handelskriegs. Der Generaldirektor des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (Gatt), Arthur Dunkel, trommelte für Dienstag den Ausschuß für Handelsvereinbarungen zur Dringlichkeitssitzung in Genf zusammen. Der Grund für die Sorgen des sonst stets optimistischen Dunkel: Mit der Verhängung von Strafzöllen hat der seit langem schwelende Streit über Subventionen für Agrarexporte eine neue Eskalationsstufe erreicht. Dieser Streit blockiert seit zwei Jahren einen Abschluß der Verhandlungen für ein neues Welthandelsabkommen.

Dabei hatten sich die beiden Seiten in den letzten Monaten bereits erheblich aufeinander zubewegt. Insbesondere die USA machten große Abstriche von ihrer urspünglichen Forderung nach einer Reduzierung der Exportsubventionen um 90 Prozent bis spätestens zur Jahrtausendwende. Festgebissen hatten sich die Verhandler schließlich vor allem am hochsubventionierten Sojabohnen- und Rapsöl- Export (Ölsaaten) der EG.

Unterdessen wurde EG-Kommissionspräsident Jacques Delors von der britischen Regierung für das Scheitern der Agrar-Verhandlungen mit den USA verantwortlich gemacht. Der irische EG-Landwirtschaftskommissar Ray MacSharry, der von seinem Verhandlungsmandat zurücktrat, hatte nämlich keinen Zweifel daran gelassen, wo er die Hauptschuld für die unflexible Haltung der EG sieht: in Frankreich. MacSharry ließ auch durchblicken, daß EG-Präsident Delors in dieser Frage vor allem nationale französische Interessen verfolgt habe, worüber sich Delors wiederum „entrüstet“ zeigte.

Weil offensichtlich auch die US-Regierung MacSharry eher glaubte als Delors, richten sich die von den USA verhängten Strafzölle in erster Linie gegen Frankreich. Mit der einseitigen Verhängung verstieß die US-Regierung allerdings nach Feststellung von Generaldirektor Dunkel gegen die Streitschlichtungsverfahren des Gatt. Schon zweimal ist die EG von Gatt- Gremien wegen ihrer Übersubvention von Ölsaaten verurteilt worden. Deswegen sind die Forderungen nach Gegenmaßnahmen der EG, die jetzt vor allem von französischen Politikern wie Landwirtschaftsminister Jean-Pierre Soisson erhoben werden, eher ein Pfeifen im Walde. Mit seiner Hoffnung, die künftige Regierung Clinton werde in Handelsfragen „moderater“ auftreten, steht Soisson ziemlich alleine. azu/dri

Seiten 6 und 7, Kommentar Seite 10