: Anders alt werden: WG statt Altenheim
»Arche Nora« bereitet ■ neuartiges Wohnprojekt
für ältere Frauen vor / »Nicht warten, bis man hilflos ist!«
Später mal in einem Pflegeheim bevormundet werden, das möchten sie auf keinen Fall. Und auch von den eigenen Kindern wollen die Frauen des Hamburger Vereins Arche Nora im Alter nicht abhängig sein.
Sie suchen statt dessen nach neuen Lebensformen, die auch betagten Menschen Selbstbestimmung ermöglichen — bis an ihr Lebensende.
Ihr Ziel: Die Gründung einer altersgemischten Haus- und Wohngemeinschaft, in der Frauen ab 40 gemeinsam unter einem Dach leben und alt werden.
Damit reagieren sie auf die schwierige Lage gerade älterer Frauen in unserer Gesellschaft. Laut Statistik werden im Jahr 2000 etwa 30 Prozent der Bundesbürger über 60 Jahre alt sein. Sie haben eine höhere Lebenserwartung als Männer, bleiben als Witwen zurück, haben aber durch die Zeit der Kindererziehung wesentlich weniger Rente zur Verfügung.
Erika Kokott (54), eine der Mitbegründerinnen des Vereins, ist in der Sozialarbeit tätig und kennt die Not der Betroffenen aus eigener Anschauung. „Ich beobachte immer wieder, daß es besonders bei Frauen durch Einsamkeit und mangelnde Anregung von außen zu frühzeitiger Vergreisung kommt. Als einzige Kontaktmöglichkeit bleiben oft nur vermehrte und häufig unnötige Arztbesuche.“ Mit zunehmendem Alter wachse die Angst vor dem Alleine-Leben und Alleine-Sterben. Und am Ende bliebe vielfach nur die Übersiedlung ins Altenheim.
Um diesem Schicksal zu entgehen, wollen die Arche-Nora-Frauen sich bewußt frühzeitig auf das eigene Alter vorbereiten. Sie sind zwar alle erst zwischen 40 und 65 Jahre alt und stehen noch mit beiden Beinen fest im Leben. Gerda Gaedcke (58): „Aber man darf nicht warten, bis man schon hilflos im Bett liegt.“
In der geplanten Wohn- und Hausgemeinschaft soll jede Frau eine eigene kleine Wohnung bekommen. Daneben wird Wert auf gemütliche Gemeinschaftsräume für gemeinsame Aktivitäten und Kreativität gelegt. Und auch außerhalb des Hauses wollen die Bewohnerinnen sehr viel zusammen unternehmen.
Im Rahmen des Möglichen werden sie sich bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit gegenseitig helfen. Wo die eigenen Kräfte nicht reichen, sollen Sozialstationen oder auch Pflegedienste einspringen.
Das Projekt folgt damit dem Beispiel mehrerer schon bestehender generationsgemischter Alten-, Wohn- oder Hausgemeinschaften: wie dem Pantherhaus in St.Pauli, der Wohngemeinschaft Jung und Alt in der Jarrestraße und der Hausgemeinschaft Ottensen/Bahrenfelder Straße.
Für Interessierte und Neueinsteigerinnen veranstaltet Arche Nora heute im Rahmen der Hamburger Frauenwoche '92 einen Informationsabend zum Thema „Wahlverwandt ins Alter“. Ort der Veranstaltung: Pantherhaus, Lerchenstraße 37, 2 Hamburg 50. Zeit: 18.30 - 21 Uhr. Kontakt: Erika Kokott (Tel. 4602129) und Gerda Gaedcke (Tel. 2202645). Monika Müller
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