: In politische Fallen getappt
■ Die Stadt, der Müll und der Tod - eine Ausstellung in K 3 auf Kampnagel
– eine
Ausstellung in K 3 auf Kampnagel
Schwarz-rot-goldene Särge, Steinhaufen, Menschenhaar, Absperrgitter und Ikonen der RAF- Märtyrer: Das ist für Anke Herrmann, Holger Benthien, Matthias Taube und Rainer Wiencke der Stoff für die Inszenierungen, die sie als „subversiv-kritisch“ bezeichnen. Kunst lebt durch die Erzeugung von Differenz. Kritische Kunst, die vermeint, Tabu-Themen anzugehen, erhofft sich zudem Beachtung durch ein bißchen skandalöses Auftreten. So auch Die Stadt, der Müll und der Tod, die bis auf weiteres letzte Ausstellung einer freien Gruppierung in K3, bevor der Berufsverband Bildender Künstler (BBK) die Räume vorübergehend zur Nutzung erhält.
Der Projektname stellt den Titel des Faßbinder-Stückes um. Das Drama, das in Frankfurt wegen der Frage, ob es antisemitisch sei oder nicht, zu Tumulten führte, war Vorbild und Reibungsstoff für die Erarbeitung der Ausstellung unter der Leitung der Kunsthistorikerin Marion Müller. An dem Text zeigt sich das vielleicht zentrale Thema der späten 70er Jahre: die Wut und das Leiden an einer entfremdeten Gesellschaft. Und prompt läuft die Diskussion über die Täter- und Opferrolle in die schon wartende politische Falle. Im Katalog ist zu lesen, die Juden stellten sich als Opfervolk dar und zögen daraus ihre Machtstellung. Ein übler Satz, der die Opfer des deutschen Volkes, aktuell die Asylanten, gewiß freuen wird, wird ihnen doch nach dieser Logik durch Haß und Verfolgung soviel Macht gegeben!
Wer sich trotz dieser Entgleisungen mit den Arbeiten auseinandersetzen mag, findet sich mit teilweise sehr didaktisch umgesetzten Grenzsituationen konfrontiert. Daß angesichts des Todes noch so starke Gegensätze aufgehoben sind, wird auch bei den Erdmöbeln (DDR- Deutsch für Sarg) von Anke Herrmann deutlich: Paragraphenzeichen und Hakenkreuz sind aus denselben Fleischerhaken zusammengelegt. Herausragend sind die Arbeiten von Holger Benthien, Hamburg-Stipendiat von 1988. Sein Thema ist die Zeit, sein bevorzugtes Material rostiges Eisen und Stein. Der Jedermannskarren, ein Grabstein mit Spiegel auf Rädern, ist ein überzeugendes Vanitas-Objekt, seine Sandkiste mit 2500 Spritzen, über die langsam Gras wächst, eine klare Anklage verfehlter Drogenpolitik.
Den sozialpolitischen Anspruch der Ausstellung belegt eine begleitende Vortragsreihe: Am Sonntag um 11 Uhr spricht ein Baustoffhändler über den Kupferhütten
6schlackenstein, das Material der 20 Tonnen schweren zentralen Gemeinschaftsarbeit. Am 22.11. ist Niederschwellige Drogenarbeit Thema, und am letzten Tag der Ausstellung berichtet eine Kunsthistorikerin über ihren Forschungsaufenthalt im Bundeskriminalamt.
Da K 3 stets nur als nackter Raum zur Verfügung gestellt wird,
5die Durchführungsfinanzierung jedoch dem Nutzer überlassen bleibt, ruft die Künstlergruppe zu einer Unterschriftenkampagne auf, die von der Kulturbehörde ein festes Budget für alternative Kunst hier oder in den Kasematten am Deichtor fordert. Hajo Schiff
Halle K3, Di-So 16-20 Uhr, bis 29.11., Katalog 20,-DM
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