„Wohin sollen wir denn?“

■ Berliner Roma und Deutsche gegen Abschiebevertrag und neue Vertreibung/ Armut und Menschenrechtsverletzungen in Rumänien/ Rassismus in Deutschland

„Wo sollen wir hin, wir, die wir vom Wind verweht, der Welt Müll sind?“ las der Schriftsteller Paul Schuster aus einem Gedicht von Raijko Djuric. Nach dem deutsch- rumänischen Abschiebevertrag droht Zehntausenden in der Bundesrepublik lebenden Roma erneut Vertreibung und Perspektivlosigkeit. Denn Rumänien, das sie verlassen haben, halte für sie und ihre Kinder nur dunkle Qual bereit, ein hartes Leben in Armut und Bedrohung durch rassistische Gewalt – die sie nun auch hier verfolge.

Auf einer Veranstaltung des Arbeitskreises Asyl in der Kirche mit dem Titel „Sagt, wohin sollen wir denn gehen?“ berichteten am Donnerstag abend Roma und Deutsche in der französischen Friedrichstadtkirche über die Situation der Roma aus und in Rumänien. Der Pfarrer Jürgen Quandt las den Protestaufruf vor, in dem der Arbeitskreis die „sofortige Annullierung“ des Vertrags fordert. Die bevorstehenden Abschiebungen würden die Diskriminierungen nur verschlimmern. Schon werde in Rumänien wieder der 1946 hingerichtete Marschall Ion Antonescu glorifiziert, der in Zusammenarbeit mit den Nazis Hunderttausende Roma deportieren und umbringen ließ.

Allein aus Verantwortung für die eigene Vergangenheit, plädierte auch Katrin Reemtsma von der Gesellschaft für Bedrohte Völker, dürften die Deutschen die Roma-Flüchtlinge nicht massenweise in ein Land zurückschaffen, in dem nach wie vor „eine Fülle von Menschenrechtsverletzungen“ begangen würden. Zwar würden den Roma seit Ceausescus Sturz grundsätzlich politische Rechte zugestanden, doch hätten gleichzeitig mindestens 25 große Pogrome stattgefunden, an denen sich jeweils Polizei, Bürgermeister und teils auch die orthodoxe Kirche beteiligt hätten. Sandor Csurkuly aus Tirgu Mures schilderte das Elend in zwei Roma-Siedlungen der Stadt Mures, in denen die Menschen in ungeheizten, fensterlosen Betonblocks ohne Strom und Wasser überleben müssen.

Alfred Erdölli von der Berliner Rom Union beschwerte sich über die mangelnde Zusammenarbeit mit anderen Flüchtlingsgruppen, Ausländerbeauftragten oder auch dem Zentralrat deutscher Sinti und Roma, der die „Roma am liebsten dort hätte, wo sie herkommen: im Ausland“. Während Roma in Berlin Unterstützung finden könnten, sei die Betreuung in Brandenburg „katastrophal“. Selbst Ausländerbeauftragte würden sie am liebsten loswerden. Ob es nach dem deutsch-rumänischen Vertrag in Berlin und Brandenburg mehr Abschiebungen gebe, konnte Erdölli indes noch nicht sagen. bm