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1500 Säcke in zwei Stunden

■ DGB: Arbeitsschutz im Hamburger Hafen muß dringend verbessert werden / 1991 fünf tödliche Arbeitsunfälle

im Hamburger Hafen

muß dringend verbessert werden / 1991 fünf

tödliche Arbeitsunfälle

Trotz modernster Technik: Die Arbeit im Hamburger Hafen ist immer noch mit extremen körperlichen Belastungen und Gesundheitsgefahren verbunden. Denn weniger Handarbeit bedeutet nicht, daß nun alles leichter geworden wäre.

Nach wie vor müssen an vielen Arbeitsplätzen sehr schwere Lasten gehoben und getragen werden. Beim Entladen von Containern muß ein Arbeiter in einer Schicht oft bis zu 50 Tonnen schleppen, gesetzliche Gewichtsbegrenzungen gibt es nicht. Es kommt vor, daß zwei Männer in fünf Stunden 1500 Säcke aus den Containern holen müssen, jeder Sack wiegt bis zu 70 Kilogramm. „Das ist in anderen europäischen Ländern gar nicht zulässig“, sagte gestern Matthias Fromman, Leiter des Amts für Arbeitsschutz. In holländischen Häfen dürfen nur 5000 Kilogramm am Tag geschleppt werden, jedes Stück darf nicht mehr als 25 Kilo wiegen. Auch in Dänemark sind die Lasten begrenzt, Säcke von mehr als 50 Kilogramm dürfen nicht per Hand transportiert werden.

Die gesundheitlichen Belastungen im Hamburger Hafen sind so hoch wie in kaum einem anderen Arbeitsbereich. Zum Verschleiß durch Heben und Tragen kommt der Staub, vor allem beim Be- und Entladen von Futtermitteln und Getreide. Dieselbetriebene Gabelstapler und andere Lastenfahrzeuge erzeugen krebserregenden Ruß.

Erst in jüngster Zeit wurden Arbeitsschützer auf die Schädigungen durch Ganzkörper-Vibrationen aufmerksam. Containerbrücken und Van Carrier sind ständig in Schwingungen. „Das schmirgelt die Wirbelsäule kaputt“, so der Hamburger DGB-Vorsitzende Erhard Pumm. Zudem wird auf den Maschinen sehr konzentriert und meist in Zwangshaltungen gearbeitet. „Dank“ der Technik fallen zudem Verschnaufpausen weg.

Revolutionäre Ideen entwickelten deshalb Hafenarbeiter vor kurzem bei einem Seminar des DGB. Zur Entlastung der Wirbelsäule seien kurzzeitiges Hinlegen oder gymnastische Übungen auch am jeweiligen Arbeitsplatz erforderlich — auch wenn dies fast einer Kulturrevolution im Hafen gleichkäme.

Auch die Unfallgefahr ist im Hafen doppelt so hoch wie an anderen Arbeitsplätzen. Ein Viertel der tödlichen Unfälle in Hamburgs gewerblicher Wirtschaft passiert im Hafen, obwohl dort nur fünf Prozent der Arbeitnehmer arbeiten. Schwere Unfälle passieren vor al-

1lem beim Bewegen schwerer Lasten, Arbeiter werden von Containern von bis zu 30 Tonnen erdrückt. Im Jahr 1991 kam es zu fünf tödlichen Arbeitsunfällen im Hafen. Fazit: Der Arbeitsschutz im Hafen muß nach Ansicht des DGB und des Amts für Arbeitsschutz dringend verbessert werden.

Vera Stadie

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