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Ein „selektiver Umgang“ mit Zahlen

■ Britisches Unterhaus debattierte über Irakgate/ Major ließ sich vertreten

Dublin (taz) – Irakgate und kein Ende. Bei der Sonderdebatte über britische Waffenlieferungen an den Irak, die am Montag vor dem Londoner Parlament unter Abwesenheit des Premierministers John Major stattfand, versuchte Industrieminister Michael Heseltine, die Bedeutung der Exporte herunterzuspielen. Er sagte, Großbritannien habe lediglich Rüstungsgüter im Wert von 200 Millionen Dollar (knapp 320 Millionen Mark) an den Irak geliefert. „Das ist weniger als zwei Prozent der gesamten irakischen Rüstungsimporte“, fügte er unter stürmischem Beifall der Tory-Abgeordneten hinzu. Die Exportkreditgarantien der Regierung haben zwischen 1983 und 1989 nur 54,3 Millionen Pfund (ca. 130 Millionen Mark) betragen, behauptete Heseltine. Keine der Waren sei „von tödlicher Natur“ gewesen.

Die Taktik der Opposition

Die Opposition warf dem Industrieminister einen „selektiven Umgang“ mit den Zahlen vor. Darüber hinaus blieben viele Fragen unbeantwortet, weil sich Heseltine immer wieder darauf berief, daß das Sache der Untersuchungskommission sei, die von der Regierung eingesetzt worden ist. Robin Cook von der Labour Party beschuldigte das Tory-Kabinett, „das Parlament hinters Licht geführt und die Öffentlichkeit betrogen“ zu haben.

Die Taktik der Labour Party besteht darin, täglich neue Informationen über die Verstrickung der Regierung in illegale Rüstungsexporte zu veröffentlichen, um den Skandal am Kochen zu halten. Die britische Regierung hatte während des Krieges zwischen Iran und Irak Waffenlieferungen an beide Seiten genehmigt und Rüstungsexporte in den Irak bis wenige Tage vor der irakischen Invasion Kuwaits zugelassen. Vor dem Parlament hatte man jedoch bis vor vier Wochen das Gegenteil behauptet.

Offenbar hat der Irak im Gegenzug billiges Öl geliefert. Aus den Statistiken des Industrieministeriums geht hervor, daß Großbritannien 1990 über eine Million Tonnen Rohöl aus dem Irak importiert hat. Ein Jahr zuvor waren es dagegen nur 253.000 Tonnen, und 1987 und 1988 wurde gar kein irakisches Öl bezogen. Der Preis für das Öl lag weit unter dem anderer Länder des Nahen Ostens.

Heseltine versuchte am Montag, dem ehemaligen Staatssekretär im Handels- und Außenministerium, Alan Clark, die alleinige Schuld für den Bruch des Waffenembargos in die Schuhe zu schieben. Clark hatte seine Beteiligung an den Waffenschiebereien offen zugegeben. „Ich war dem Wohlergehen der Bevölkerung dieses Landes verpflichtet“, sagte er, „und es war mir egal, mit wem wir Handel trieben, solange wir dafür bezahlt wurden und unsere Industrie und der Arbeitsmarkt davon profitierten.“

Die Rolle Mark Thatchers

Clark bestätigte außerdem, daß die britischen Geheimdienste reges Interesse an den Waffendeals mit dem Irak gezeigt hätten, weil sie dadurch die irakische Rüstungsmaschinerie ausspionieren wollten. Cook beschuldigte Heseltine, daß er „die Schuld dem Mann zuschieben will, der als einziger in diesem Skandal die Wahrheit gesagt hat“.

Der linke Labour-Abgeordnete Ken Livingstone hat im Unterhaus eine Anfrage nach den Verwicklungen Mark Thatchers in das Waffengeschäft mit dem Irak gestellt. Der Sohn der ehemaligen Premierministerin Margaret Thatcher soll mit Wissen des Kabinetts über seine texanische Firma nicht nur südafrikanische Waffen nach Saudi-Arabien, sondern auch britische Rüstungsgüter in den Irak verschoben haben. Darüber hinaus habe er die Verbindung zwischen dem Geschützkonstrukteur Gerald Bull, der vor drei Jahren in Belgien ermordet worden ist, und dem chilenischen Rüstungsproduzenten Carlos Cardoen hergestellt. Cardoen wiederum habe Waffen an den Irak geliefert.

Der britische Journalist Anthony Moyle, der dieses Netz entwirren wollte, war im März 1990 in einem chilenischen Hotel tot aufgefunden worden. Aus seinen Aufzeichnungen ging hervor, daß er Cardoens Exporten von billigen Kampfhubschraubern in den Irak auf der Spur war. Ein chilenisches Gericht stellte die Untersuchungen der Todesumstände Moyles jedoch wegen Mangels an Beweisen ein. Am Wochenende ordnete ein chilenisches Gericht jedoch die Wiederaufnahme des Falls an. Ralf Sotscheck

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