: Löffelpaddel und Stöckelschuh
Das Berliner Forschungsinstitut für Sportgeräte bereitet sich auf die Wintersaison vor/ Finanzkürzungen und Abwerbungen an der Tagesordnung ■ Von Heike Deutsch
Was kann man gegen zu schnelle Abnutzung von Absätzen an Stöckelschuhen und gegen ebensolche Abdrücke im Parkett tun? Die Damen und Herren der Berliner Tanzsportgemeinde wußten Rat. Wie verhindert man einen Tennisarm, eine Verletzung der Muskulatur, die schnell Karrieren beenden kann ? Worin besteht die Gemeinsamkeit zwischen einem Ruder und einem „Hackebeilchen“? Welches Segeltuch nimmt man für welchen Wind? Wie entwickelt man Sportgeräte, die bei optimaler Abstimmung auf den jeweiligen Athleten durch Aerodynamik, Gewicht und Funktion bestechen ?
Die Materialien zur Lösung dieser und anderer Probleme heißen Kohlefaser, Karbon, Graphit, Titan, Polyester oder Polyurethan. Das Know-how liefert das Berliner Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES). Hier entwickelten Fachleute die pinkfarbene Olympia-Flotte der Kanuten und die dazugehörigen Löffelpaddel, die durch ihre Form eine andere Technik vom Sportler verlangen. Olympiasiegerin Birgit Schmidt (Potsdam) mußte sich so nach einem Jahr Pause total umstellen. Nicht zu vergessen die futuristischen Formen der Ruder (nach außen vergrößerte „hackebeilchenähnliche“ Fläche des Ruderblattes) und aerodynamische, superleichte Rennräder, die den deutschen Radlern manchen Triumph bescherten. Trotzdem war in Barcelona das Lotus-Rad des Briten Chris Boardman über 4.000 Meter schneller als Jens Lehmanns Rennrad mit dem wenig phantasievollen Namen FES, was aber trotz optimalerer Sitzposition am Sportler selbst gelegen haben soll. Dies glaubt zumindest der Leiter des FES, Kurt Debus, der sein Produkt verteidigt: „Wissen sie wie klein und athletisch der war, solche Leute haben wir nicht.“
Trotz Ideen und Erfolge ist die Zukunft der Einrichtung und der 120 Mitarbeiter ungewiß. Denn von den 7 Millionen Mark des vergangenen Jahres will das Bundesministerium für das kommende Jahr eine Million streichen. Kurt Debus: „So können wir das Forschungs- und Entwicklungsprogramm kaum verwirklichen.“ Fast noch mehr Sorgen bereitet ihm die Abwerbung von Spezialisten, die hier Beschäftigte des öffentlichen Dienstes sind und bei ausländischen Konzernen erheblich mehr verdienen könnten. „Bei dieser ungewissen Zukunft und nur 80 Prozent des Westgehalts muß sich ja jeder an den Kopf fassen. Wenn die gehen, können wir ab Januar hier dichtmachen.“ Die Abwerbungsversuche aus Westeuropa und den USA laufen auf vollen Touren.
Dabei könnte sich das Institut theoretisch selbst tragen. Das frühere Dopingkontroll-Labor, jetzt „Bavaria-Klinik“, in Kreischa (Sachsen) macht es vor. Die Öffnung für den Breitensport, Rehabilitation und Behindertensport finanziert Unabhängigkeit und ermöglicht Leistungsdiagnostik und Rehabilitation von Spitzensportlern. Doch dafür kann Kurt Debus wenig Begeisterung entwickeln: „Man kann nicht alles machen, eins geht nur. Wir machen Leistungssport.“
Auf seinem Schreibtisch stapeln sich die Aufträge der Verbände, aber die können nicht zahlen. Es ist ein Teufelskreis. Die Auswahlkommission aus Sportfachleuten, Trainern und Funktionären muß sich zwischen einem 420er für den SC Berlin-Grünau, dem Kajak-Einer aus der Olympiaserie für 600 Mark, Bobs und Rennschlitten entscheiden. Das Geld reicht nicht, und Neuentwicklungen sind am teuersten. In Vorbereitung auf die Wintersaison werden in Zusammenarbeit mit dem IHT Leipzig (Institut für Angewandte Trainingswissenschaften) Eisschnellaufschlittschuhe für die Nationalmannschaft entwickelt. Eine Bobneuentwicklung kostet 500.000 Mark und jeder produzierte Bob etwa 30.000.
Übrigens wird die Abnutzung des Schuhhackens durch einen sahnebonbonfarbigen Überzieher aus Polyurethan verhindert. Entwicklungskosten: 500 Mark. Kein Parkett muß mehr leiden, und „Tennisarme“ kann man nur durch einen neuen Griff am Schläger verhindern.
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