Mit Prognosen war kein Blumentopf zu gewinnen

■ Krise beim Autoabkommen zwischen EG und Japan/ Japaner längst in Europa

Tokio (taz) – In der Verliererhaltung waren die Beamten aus Brüssel diese Woche nach Tokio gekommen: sie wollten den Japanern vorrechnen, wie schlecht es der europäischen Automobilindustrie ergehe, damit Nippons Konzerne weniger Autos nach Europa exportieren. Kein Wunder also, daß die EG-Unterhändler nach dreitägigen Verhandlungen auch als Verlierer wieder von dannen zogen. Denn die Japaner legten ihnen Zahlen vor, nach denen die europäische Autoindustrie 1993 im Gesamtvolumen durchaus wachsen würde. Genau das bestritten die Europäer in Tokio und redeten damit selbst die Rezession noch herbei. Am Ende konnten beide Seiten die Gespräche nur vertagen.

Die europäisch-japanische Episode zeigt, wie peinlich Handelsgespräche für den wirtschaftlich Schwächeren gedeihen können. Die EG und Japan hatten sich bereits 1986 auf ein Überwachungssystem für japanische Autoimporte geeinigt, das sich auf eine Vorhersage für die Autonachfrage im jeweils kommenden Jahr stützt. Bei vorhersehbaren Einbrüchen in der Nachfrage hatte Tokio versprochen, freiwillig die Autoexporte nach Europa zu beschränken. Doch über Vorhersagen läßt sich streiten. So kommt es, daß die Japaner bei der Aktualisierung des Abkommens die Zukunft der europäischen Konkurrenz schönreden, während die EG-Bürokraten den Pessismismus pflegen.

In diesem Jahr dichten die Europäer freilich nicht das Blaue vom Himmel. Ganz im Gegenteil scheinen sich ihre düsteren Prognosen für das europäische Autogeschäft von Tag zu Tag zu verdichten. Die Absatzeinbrüche bei VW und Mercedes zeigen, daß die Krise nicht mehr bei Renault und Fiat halt macht. In der Bundesrepublik stehen in der Autobranche Massenentlassungen bevor.

Wer in dieser Lage auf die Hilfe der Japaner hofft, setzt freilich auf das falsche Pferd. Sicherlich werden sie es nicht darauf ankommen lassen, daß europäisch-japanische Autoabkommen platzen zu lassen, welches immerhin ein Ende sämtlicher Exportbeschränkungen für Tokio im Jahr 1999 vorsieht. Doch wer kann es Nippons Konzernen verdenken, wenn sie in der europäischen Krise der Autoindustrie vorerst ihre große Chance sehen: denn bereits in diesem Jahr werden die Japaner mit 300.000 Wagen in Europa doppelt soviel Autos wie im Vorjahr produzieren. 1993 könnten es schon 500.000 sein. So nämlich planen Nippons Konzerne jede Krise: Wenn die Konkurrenz ihre Kapazitäten reduziert, erhöhen sie bedingunglos. Die bisherigen Ergebnisse solcher Strategien sind uns aus der Unterhaltungselektronik hinlänglich bekannt. Georg Blume