: Gerade konnten wir uns darüber freuen, daß die taz nicht nur gerettet ist, sondern auch noch ein wenig Geld zu ihrer Verbesserung zur Verfügung steht, da spuckt uns die Deutsche Bundespost in die Suppe: Mit einer Preiserhöhung für den Post-Zeitungsvertrieb, die große Blätter bevorzugt und die Pressekonzentration vorantreibt Von Michael Sontheimer
Die taz und die Posträuber
Die Chefredaktion dieses Blattes pflegt Mitteilungen über die wirtschaftliche Entwicklung der Zeitung an die Redaktion meist mit der plumpen Dialektik „Zuerst die gute Nachricht, dann die schlechte...“ zu verabreichen. Für die in den taz-typischen Wechselbädern über die Jahre abgehärteten Kolleginnen und Kollegen war es denn auch kein sonderlicher Schock, als wir eine Zwischenbilanz unserer Abo-Kampagne zogen: Dank des großartigen Engagements unserer Leserinnen und Leser haben wir nicht nur die 5.000 zum nackten Überleben notwendigen, sondern mehr als doppelt so viele Abonnements hinzugewonnen. Doch: Da die Deutsche Bundespost ab 1.Januar 1993 die Preise für den Postzeitungsvertrieb drastisch erhöht, können wir den Surplus der Kampagne nicht für die Verbesserung der Zeitung verwenden, sondern müssen sie Herrn Schwarz-Schilling und den Seinen in den Rachen werfen.
Die Post verlangt ab nächstem Jahr dafür, daß sie rund 66 Prozent unserer Abonnentinnen und Abonnenten immer unzuverlässiger beliefert, nicht mehr 26,08 Pfennig pro Stück und Tag, sondern 36,60 Pfennige. Das ist eine selbst für inflationäre Zeiten bemerkenswerte Preiserhöhung von 40,3 Prozent. Für die taz bedeutet dies, daß wir nicht vorhersehbare zusätzliche Kosten von 3.000 Mark pro Tag, an dem eine taz erscheint und ausgetragen wird, einkalkulieren müssen. Auf das ganze Jahr 1993 summiert sich die Preiserhöhung auf rund 900.000 D-Mark.
Als deshalb Vorstand und Aufsichtsrat der taz-Genossenschaft unlängst den Wirtschaftsplan für das Jahr 1993 diskutierten, mußte die Chefredaktion, mit den Goldkronen knirschend, eine deutliche Abfuhr hinnehmen. Der vordringlichste Wunsch der Redaktion, die Seitenreduzierung der überregionalen Ausgabe auf 16 Seiten am Dienstag und Mittwoch sofort rückgängig zu machen, wurde abschlägig beschieden – und da wir leider nicht nur Buchstaben, sondern auch Zahlen lesen können, leuchtete uns dieser Beschluß ein. Der Vorstand bestand mit Recht darauf, daß die taz im kommenden Jahr keine Verluste mehr machen dürfte. Die „Rückerweiterung“ des Blattes, wie sie im taz-Slang heißt, würde aufs ganze Jahr berechnet knapp 450.000 Mark kosten – und die nimmt sich jetzt die Post, auf deren Zustellung wir aufgrund ihres Monopols existentiell angewiesen sind. (66% der taz- Abonnements kommen per Briefträger zum Leser und zur Leserin.)
Eine Alternative zum Postvertrieb hat die taz – aber genauso etliche kleine, besonders auf dem Land verbreitete Regional- und Lokalzeitungen – nicht. Einen eigenen Vertrieb mit Zeitungsboten aufzubauen, wäre zu teuer. Gleichwohl versucht die taz, vor allem in Großstädten bestehende Trägerdienste zu finden, welche die taz noch mit austragen. Dort ist unsere Zeitung früher und meist auch zuverlässiger im Briefkasten. Derzeit werden rund ein Drittel der Abonnentinnen und Abonnenten so beliefert. Oft gelingt es uns aber nicht, mit einem Trägerdienst ins Geschäft zu kommen: entweder sind die Preise so hoch, daß die taz an einem Abonnement so gut wie nichts mehr verdienen würde, oder das lokale Monopol-Blatt will aus Gründen der Konkurrenz die taz nicht huckepack nehmen. (Ein herzlicher Gruß an dieser Stelle an unsere LeserInnen in Frankfurt am Main und die Verleger von FAZ und Frankfurter Rundschau. Shame on you!)
So weit so schlecht; empörend ist vor allem das Strickmuster der Preiserhöhung. Bislang hat die Post den Zustellungspreis stark nach dem Gewicht der jeweiligen Zeitungen differenziert tarifiert, doch vor dem Hintergrund ihres chronischen Defizits und des von der Politik gesetzten Ziels der Kostendeckung arbeitet die Post seit einiger Zeit an einer neuen Tarifstruktur. In Verhandlungen mit den Verlegerverbänden, die durch die Absichten von massiven Preiserhöhungen aufgeschreckt wurden, einigte man sich zunächst darauf, nur den Kostendeckungsgrad des Postzeitungsvertriebs zu erhöhen, Strukturveränderungen bei den Tarifen aber auf die Zeit nach 1994 zu verschieben. Von diesen Absprachen mit den Verlegerverbänden ist die Post nun einseitig abgerückt, indem sie quasi „en passant“ zum 1.1.1993 doch in die Preisstuktur eingegriffen hat und die Leichtgewichtsgruppen bei den Postzeitungsgebühren drastisch anhebt, ohne sich über die medienpolitischen Folgen im klaren zu sein. Diese Preiserhöhung trifft nicht alle Zeitungen gleichermaßen, sondern die leichten, wirtschaftlich schwachen mit voller Wucht, die Schwergewichte wie etwa die Süddeutsche Zeitung oder die dicken, fetten und kompletten Farbmagazine nur milde (siehe Schaubild).
Die Preispolitik der Post ist ein medienpolitischer Skandal. In den sechziger Jahren hat die Studentenbewegung unter der Parole „Enteignet Springer!“ eine Kampagne gegen die Konzentration der Presse und die drohenden Meinungsmonopole geführt. Diese Kampagne blieb wirkungslos, statt dessen starben immer mehr Zeitungen oder wurden von dem Dutzend Großverlage aufgekauft, die sich auch in den vergangenen zwei Jahren mit Hilfe der Treuhand in Ostdeutschland regionale Monopole gesichert haben oder diese knallhart errichten.
In unserem Wirtschaftssystem entwickelt sich die Konzentration auch von Medienkapital nahezu zwangsläufig. Die Post unterstützt mit ihrer Tarifpolitik diese Verkarstung der Medienlandschaft noch zusätzlich – und sie tut dies ohne Not.
Neben der taz ist beispielsweise die in Würzburg erscheinende Deutsche Tagespost, eine katholische Tageszeitung, besonders von der Preiserhöhung betroffen. Sie weist darauf hin, daß es vor der Machtergreifung der Nazis in Deutschland 575 katholische Zeitungen gab, heute jedoch die Deutsche Tagespost die einzige dieser Art ist. Nicht daß uns die Verbreitung des Wortes des Herrn die vordringlichste Herzensangelegenheit wäre, doch auch hier sind wir (wie schon in der Asyldebatte) verfassungstreu: auch die andere Meinung muß das Recht behalten, verbreitet zu werden.
Die Preispolitik der Post ist zugleich ein Umweltskandal. Die schwergewichtigen, weil anzeigenstrotzenden Blätter liegen nicht nur in der Briefträgertasche wie Blei, sondern sind auch Protagonisten jenes Ressourcen-Raubbaus, der bei der Strafe des kollektiven Untergangs eigentlich ein Ende finden sollte.
Wir bitten unsere bewährtermaßen aktivistische Leserschaft darum, uns gegen die Posträuber zu verteidigen. Schreiben Sie dem Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling ( Heinrich von Stephanstr.1, W-5300 Bonn 2), bestechen Sie Ihren Briefträger oder lassen Sie sich etwas Wirkungsvolleres einfallen. Wir wollen diese soeben errettete Zeitung verbessern und nicht für die Defizite der Bundespost büßen – und dabei mitansehen müssen, wie der Playboy und ähnliche Instrumente der geistig- moralischen Läuterung ungeschoren davonkommen. Für den Bischof und das taz-Kollektiv!
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