Mielkes Mann in Barschels Büro

■ Ein IM lieferte 1986 prompt Infos nach Ost-Berlin

Berlin (taz) – Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR hatte offenbar einen Spitzel in der allernächsten persönlichen Umgebung des ehemaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel in Kiel plaziert. Dies geht aus einer bei der Gauck-Behörde aufgetauchten Stasi-Notiz hervor. Im Frühjahr 1986 berichtete ein Stasi-Autor in einem Vermerk mit der Registriernummer A/08535/13/86/01 über Bemühungen des damaligen CDU-Spitzenpolitikers Barschel, Informationen über eine DDR- Reise seines Kontrahenten Björn Engholm zu erlangen. Besonders interessierte Barschel, so der Stasi- Rapporteur, ob Engholm mit seinen Gesprächspartnern in der DDR die Frage eines zusätzlichen Grenzüberganges und Probleme der DDR-Mülldeponie Schönberg erörtert habe. Ein normaler Vorgang, daß ein Landeschef wissen möchte, was der Oppositionsführer im Ausland beredet. Interessant allerdings, aus welcher Quelle der Stasi-Schreiber schöpfte. In der Notiz heißt es wörtlich: „Diesbezüglich wurde er im Beisein einer inoffiziellen Quelle in Kenntnis gesetzt, daß diese Frage offensichtlich nicht (von Engholm in der DDR, d. Red.) angesprochen wurde.“

Unterstellt, daß solche Erörterungen nicht vor großem Publikum, sondern im kleinen Kreis in der Kieler Staatskanzlei beraten wurden, dann läßt die Formulierung „im Beisein einer inoffiziellen Quelle“ nur den Schluß zu, daß Mielkes Schlapphüte dortselbst einen der ihren geparkt hatten. Jedenfalls war dieser Mister X stets auf dem laufenden. So meldete er aktuell und akurat nach Ost-Berlin, daß Barschel „in den Mittagsstunden des 12. März 1986“ noch keine Interna über Engholms Ost- Trip ergattert hatte. Schließlich richtete Barschel an Engholm direkt ein Schreiben mit mehreren Fragen. Prompt lieferte Mielkes Mann, dem offenbar auch die Korrespondenz des Ministerpräsidenten zugänglich war, den Text nach Ost-Berlin. Brisantes blieb in diesem Fall nicht im Schnüffel-Netz der Stasi hängen. Vielleicht aber in den Monaten danach. Im Herbst des gleichen Jahres wurde Uwe Barschel tot in der Badewanne eines Genfer Hotels gefunden. Wer der Stasi-Informant in seiner nächsten Nähe war, ist bis heute nicht bekannt. Thomas Scheuer