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Gefahr für Jugendclubs

■ Bezirkspolitiker fürchten um Marzahner Jugendclubs / Investoreverträge ermöglichen Rausschmiß der Jugendlichen

Marzahn. In Marzahn ist jeder vierte Einwohner zwischen sechs und 18 Jahre alt. „Trotz Plattenbau und der schwierigen sozialen Lage haben wir aber nicht proportional mehr Jugendgewalt als andere Bezirke – noch nicht“, sagte Wirtschaftsstadträtin Ines Saager gestern auf einer Pressekonferenz anläßlich der Privatisierung von Jugendclubs. „Wenn das aber so weitergeht, stehen die Jugendlichen bald auf der Straße.“ Um den Erhalt der bisher neun kommunalen Jugendclus fürchten auch die Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD und Bündnis 90.

Die Dienstleistungswürfel, in denen sich die Jugendclubs befinden, sind noch im Besitz der Treuhand. Vor ihrer Privatisierung waren mit den beteiligten Senats- und Bezirksverwaltungen die Voraussetzungen für den Verkauf festgelegt worden. „Für die Jugendclubs war vorgesehen, ihnen die Räumlichkeiten fünf Jahre mietfrei und 15 Jahre für acht Mark den Quadratmeter weiterhin zur Verfügung zu stellen. Alternativ sollte der Investor auf gleich großer Fläche in der Nachbarschaft ein Ersatzgebäude errichten. Für den Fall, daß er keine Räume zur Verfügung stellt, sollte er 100.000 Mark Verwaltungsstrafe an den Senat zahlen“, sagte Saager.

Davon ist in den mittlerweile fünf abgeschlossenen Verträgen nicht mehr viel übrig. Der Investor soll die Räume weiterhin, allerdings zu einer Staffelmiete, dem Jugendclub überlassen und ansonsten zahlen. Von einem Alternativbau ist nicht mehr die Rede. Vor allem enthalten die Verträge eine Klausel, nach der der zukünftige Besitzer die Jugendlichen jederzeit straflos vor die Tür setzen kann, wenn sich andere durch den Betrieb gestört fühlen und vor Gericht gehen.

Das Bezirksamt favorisiert die Neuschaffung von Jugendeinrichtungen auf kommunalem Boden. Das käme auch den Investoren zugute, die in ihren Planungen nicht behelligt werden, gleich volle Preise nehmen können und keinen Ärger mit den Kids bekommen. Die Bezirksstadträte hätten sich immer wieder mit Vorschlägen und Forderungen an den Senat gewandt, sagte Udo Hanke, Bündnis90. Er wurde jedoch während der Verhandlungen mit den Investoren nicht mehr gehört. Von den jetzt geschlossenen Verträgen weiß im Bezirk offiziell noch niemand. „Nicht einmal der Bürgermeister erfuhr, mit welchen Investoren er es zu tun bekommt“, sagte Ralf Borckert (SPD).

CDU, SPD und Bündnis fordern in einer „auf diese Sachfrage bezogenen Koalition der Vernunft“ das Abgeordnetenhaus auf, den Verträgen nur bei klaren Regelungen zur Erhaltung der Jugendclubs zuzustimmen. Mit den bestehenden Klauseln werde ein Ausstieg aus der Jugendarbeit geradezu angeboten. Was jetzt versäumt werde, käme das Land nachher nur teurer. „Wir bangen um die Entwicklung unserer Jugend, in der die Gewaltbereitschaft steigt. Sie darf nicht länger alleingelassen werden“, so Christian Kahr (CDU). cor

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