: Somalias Kriegsfürsten üben Eintracht
Erstes Treffen zwischen den verfeindeten Kriegsführern Mahdi und Aidid endet mit der öffentlichen Verkündung einer „Wiedervereinigung“ der geteilten Hauptstadt ■ Aus Mogadischu Bettina Gaus
Zehntausende Somalier sind bisher im Krieg ums Leben gekommen, 100.000 vom Hungertod bedroht – aber die tieferen Ursachen des blutigen Konflikts wurden nicht angesprochen, als die Führer der beiden wichtigsten feindlichen Fraktionen in der Hauptstadt Mogadishu sich gestern nachmittag lächelnd vor den Kameras internationaler Fernsehteams in den Armen lagen. Zuvor hatten Interimspräsident Ali Mahdi und sein bislang schärfster Rivale General Farah Aidid mehrere Stunden lang hinter verschlossenen Türen mit dem UNO-Sonderbeauftragten Ismail Kittani, dem US-Sonderbotschafter Robert Oakley und dem Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte, Robert Johnston, konferiert.
Die erste Begegnung der bislang erbitterten Feinde seit über einem Jahr verlief nach Angaben eines Sprechers in „sehr herzlicher“ Atmosphäre und erbrachte ein unerwartet konkretes Ergebnis: Der USC (Vereinigter Somalischer Kongreß), die bisher gespaltene Organisation der beiden Kriegsführer, ist wiedervereinigt. Alle Feindseligkeiten und auch die feindliche Propaganda werden sofort eingestellt.
Die „Grüne Grenze“ zwischen den Territorien Ali Mahdis und General Aidids besteht nicht mehr. Die Bevölkerung soll sich ab sofort frei hüben und drüben der alten Demarkationslinie bewegen können. Alle Fahrzeuge mit schweren Waffen sollen innerhalb der nächsten 48 Stunden die Hauptstadt verlassen und in Standorten im Landesinneren geparkt werden.
Weitere Einzelheiten der Vereinbarung wird ein Komitee beider Fraktionen des USC innerhalb der nächsten zwei Tage aushandeln, das sich nach Angaben eines Sprechers bereits seit sechs Monaten um eine Begegnung zwischen Ali Mahdi und Farah Aidid bemüht hatte.
Abzuwarten bleibt, ob diese spektakuläre Versöhnung der Durchbruch bei den Bemühungen um ein Ende des Bürgerkrieges sein wird, oder lediglich der Versuch beider Seiten ist, sich angesichts der Übermacht ausländischer Truppen und der Anwesenheit der Weltpresse als kooperationsbereit und friedenswillig darzustellen.
Draußen vor der Tür blieben bislang die anderen konfliktbeteiligten Parteien. Sie sollen bei den ersten vorbereitenden Gesprächen für eine nationale Versöhnungskonferenz, die für den 4. Januar unter Vorsitz von UNO-Generalsekretär Butros Ghali in Addis Abeba anberaumt sind, einbezogen werden. Dem Vernehmen nach ist das einigen Beteiligten zu spät: Artilleriefeuer, das gestern früh in der Nähe der „Grünen Grenze“ zu hören war, soll von Kämpfern eines Clans abgegeben worden sein, die sich durch die jüngste Entwicklung mißachtet fühlen. Clankämpfe werden außerdem auch weiterhin aus mehreren Städten des Landesinneren gemeldet. Immerhin aber dürfte die Versöhnung der USC-Führer die Operationen der ausländischen Truppen in Mogadischu zunächst einmal erheblich erleichtern, zumal der USC in seiner Stellungnahme dem Ausland ausdrücklich für seine Bemühungen, Somalia zu helfen, gedankt und darum gebeten hat, diese Anstrengungen noch auszuweiten.
„Scheißneger“
Unterdessen durchsuchen auch weiterhin ausländische Truppen an verschiedenen Kontrollpunkten Mogadischus Fahrzeuge nach Waffen. Die französische Fremdenlegion geht dabei weit rüder und aggressiver vor als die US-Soldaten. „Scheißneger“, zischt ein aus Deutschland stammender Sergeant zwischen den Zähnen hervor, als der Fahrer eines Autos eine Anweisung zum Halten offenkundig nicht sofort versteht. „Das ist ein unglaubliches Volk. Keine Ordnung drin. Kann man eigentlich nur alle umbringen.“ Im Gespräch meint der Fremdenlegionär, die Bevölkerung hier stehe der Anwesenheit der ausländischen Truppen keineswegs froh, sondern „gleichgültig oder aggressiv“ gegenüber.
Französische Fremdenlegionäre waren es auch gewesen, die am Donnerstag abend das Feuer auf die Insassen eines Fahrzeuges eröffnet hatten, dessen Fahrer versucht hatte, an einem Kontrollpunkt durchzubrechen. Der Transporter prallte gegen eine Mauer. Die Bilanz des Zwischenfalls: zwei Tote und sieben Verletzte. „Die Soldaten haben vollkommen übereinstimmend mit ihren Befehlen gehandelt“, erklärte dazu noch in derselben Nacht der Kommandeur der französischen Truppen Michel Touran. Die Somalis, so die Version der Franzosen, hätten zuerst geschossen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen