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Die Skinheads der CDU trumpfen auf

CDU-Rechte gründeten „Deutschland-Forum“/ Lummer ist Gründungsmitglied  ■ Aus Bonn Hans-Martin Tillack

Alle Welt spricht vom Rechtsruck der Republik, doch sie kämpfen gegen den Linksruck der CDU. 192 Gründungsmitglieder zählten die Initiatoren, als sich am vergangenen Samstag in Bonn das „Deutschland-Forum“ der CDU konstituierte. Konservativ wollen sie sein, christlich und „entschieden“ gegen Ausländerfeindlichkeit. Deren Ursachen, nämlich „Asylmißbrauch und Ausländerkriminalität“, müsse man entschlossen bekämpfen – so stand es zumindest im Programmentwurf.

Vor allem einte die Gründer der gemeinsame Feind. Dem linken Parteiflügel, so Mitinitiator Heinrich Lummer, müsse man endlich Paroli bieten. Leute wie Ulf Fink von den Sozialausschüssen, wie Rita Süssmuth oder Heiner Geißler mit seinem Plädoyer für die multikulturelle Gesellschaft würden „jeden Tag interviewt“ und prägten so das Bild der CDU.

Deshalb, so der Berliner Bundestagsabgeordnete, müßten die Konservativen aufstehen und beweisen: „Dieser Teil der CDU ist nicht tot.“

Außer den Forumsgründern, neben Lummer noch der schwäbische Abgeordnete und militante Abtreibungsgegner Claus Jäger, hätte das wohl auch niemand vermutet.

Tatsächlich sind es zur Zeit gerade die Geißlers und Süssmuths, die sich in ihrer Partei an den Rand gedrängt sehen. Gleichzeitig sprießen überall in der CDU konservative Gesprächskreise aus dem Boden, sei es unter dem baden-württembergischen Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder in Stuttgart, sei es in Hessen oder Berlin. So schwärmt Heinrich Lummer auch von einer riesigen Resonanz auf die Forumsgründung. „Massenhaft Briefe“ habe er bekommen, „von wohlwollend bis begeistert“. Auch die FAZ gab ihren Segen. Zumindest der Versuch sei lobenswert, in das „verwaschene Profil“ der CDU wieder etwas Zack zu bringen.

Dennoch sei das Deutschland- Forum ein „totgeborenes Kind“, glauben manche CDU-Abgeordnete. Sie erinnern an „völlig überzogene“ Redebeiträge auf der Gründungsversammlung – „Herz- Jesu-Marxisten“, so wurde behauptet, hätten mit Stasi-Hilfe die Macht in der CDU an sich gerissen – und verweisen auf das Fehlen einer „überzeugenden Führungsfigur“. Darüber klagen die Forumsgründer selbst. Franz Josef Strauß sei tot, Alfred Dregger zu alt. Der Nachwuchsmann Mayer-Vorfelder ließ sich am Samstag entschuldigen.

Lummer hofft nun auf Leute wie den hessischen CDU-Chef Manfred Kanter oder den sächsischen Innenminister Heinz Eggert. Bislang freilich scheint das Deutschland-Forum mehr abstoßende als anziehende Kräfte zu entfalten.

Noch bei der Gründung sprang der CDU-Abgeordnete Wilfried Böhm wieder ab. Eine „Partei in der Partei“ wolle er nicht mittragen, erklärte Böhm, seit jeher als Anführer der „Stahlhelm-Fraktion“ in der CDU-Fraktion bekannt. Genauso wie Böhm dachten viele Christdemokraten vom rechten Rand. Eilig setzten sie Erklärungen ab, in denen sie sich vom Deutschland-Forum distanzierten.

Sie folgten damit dem Druck von oben. CDU-Generalsekretär Peter Hintze hatte unmißverständlich dazu aufgerufen, dem Forum den Rücken zu kehren. Den Betroffenen war klar, was Ungehorsam bedeuten kann: den Verlust des Mandats und damit der beruflichen Existenz.

Die „Gefahr“, zur Sekte herabzusinken, sei real, räumt selbst Lummer ein. Doch er ist die Isolation gewohnt. Lummer, der deutschnationale Maastricht-Kritiker, war einer von nur zwei CDU- Abgeordneten, die sich bei der Ratifizierung des Vertrags im Bundestag enthalten hatten.

Seit kurzem treibt ihn eine neue Sorge um. „Welche Rückwirkung hat die massive Kritik aus dem Ausland?“ fragt er und gibt gleich die Antwort: „Der Deutsche hat das Gefühl, man will ihm das Rückgrat brechen.“ Warum, so fragt er weiter, häufe sich denn die Kritik an Deutschland?

Die Türken versuchten mit einer „Retourkutsche“ von eigenen Menschenrechtsverletzungen abzulenken. „Und für die Juden ist es der Versuch, die Hand aufzuhalten.“ Das sind Worte, die auch von einem Franz Schönhuber nicht jeden Tag zu hören sind. Die Frage, wie sich das Deutschland-Forum gegen die „Republikaner“ abgrenzt, möchte Lummer gar nicht erst beantworten. „Ich kenne das aktuelle Programm der ,Reps‘ nicht“, wiegelt er ab. „Vieles haben sie sowieso bei uns abgeschrieben.“

Mag sein, daß das Deutschland- Forum bald wieder von der Bühne verschwunden ist. Selbst Christdemokraten, die das vermuten, verweisen zugleich darauf, daß der starke deutschnationale Flügel der Partei im Moment durchaus „tonangebend“ wirke.

Auch ein Forumsgegner wie Böhm plädiert dafür, daß sich die CDU „geistig der Szene öffnet“, die sich am rechten Rand auftut. Er nennt die neonationalistische Junge Freiheit und die Diskussionen, die in der Zeitschrift Criticon geführt werden. In der CDU-Fraktion kursiert schon ein neuer Titel für die Stahlhelmer: „Skinhead- Fraktion“.

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