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StandbildTriumph des Sports

■ ARD-Sportgala 1992

ARD-Sportgala 1992, Sonntag, 20.15 Uhr

Schon der Anfang ist „große Fernsehshow“: Irgendwelche Astronautenfrauen mit schwarzen Lackstiefeln hopsen mit gelben Bällen um große Luftblasen herum, in der Musik klingt Dramatisches an, ein kleines Mädchen im Ballettkleid wird an einer Seilwinde hochgezogen und baumelt erbärmlich unter der Studiodecke. „Triumph des Sports“ nennt sich die Choreographie.

Es erscheinen die Moderatoren (dem Sprachgebrauch angepaßt, wohl besser: die Programm-Führer). Langsam ist's wirklich wurscht: Max und Carolin, Heino und Hannelore oder diesmal Gerhard und Carmen.

Sie erklären die Vorauswahl: Leser der Bild-Zeitung durften die fünf Sportler bestimmen, welche nun per TED zum Sportler des Jahres telefoniert werden. Die Kandidaten müssen das alles auf der Bühne ertragen. Steffi und Heike sind nicht da; gibt Bonuspunkte. Nicole räumt, gedrängt von Gerhard, langjährige heftige Beziehungen zu ihrem Pferd ein, keine Chance auf Sieg. Gewinnen tut die 14jährige Schwimmerin Franzi, denn alle Lust will Kindlichkeit.

Schauspieler Uwe singt „Only one Woman“, geniale Idee, gleich drauf wird Innenminister Rudolf befragt. Aha, die Neonazis schaden Berlins Olympiabewerbung, das sind Probleme, und vor allem, dies sei nicht Deutschland. Puh! Wieder Singsang, „Küssen verboten“, Carmen witzelt über Küssen, Trainingslager und andere Höhepunkte. Niveau und Ziel der Sendung gehen endgültig Richtung Hose. Jetzt kommen die Männer. Alle Kandidaten da, nur Bobbele nicht. Schon fünfmal geschwänzt. Trotz Daimler: Boris, wir lieben Dich!

Die Sensation: Boris erhält per TED 51,4 Prozent, absolute Mehrheit, einige Buhrufe im Saal. Ion nimmt grimmig lächelnd Preis von Emil (läuft noch) entgegen, der mit Kumpel da ist und zugibt, das Hoteldoppelzimmer auch „auszunutzen“ (Frage von Gerhard). Einziger und absoluter Höhepunkt der Sendung: Hans-Jürgens aufgezeichnetes Interview mit Boris: a) Siegervariante, b) Verlierervariante, beide werden gezeigt, bei b) gackern Boris und Hans- Jürgen nur herum. Genial. Nena singt von Völkerverständigung, tanzt mit Menschen, die wie Indianer und Afrikaner aussehen sollen. Alles verschwimmt: BehindertensportlerInnen werden mit „Sonderpreis“ beschenkt, Chris de Burgh singt, ein Film über Sportpechvögel wird eingespielt, zum Beispiel: Marathonläufer muß aufs Klo. Haha. „Es darf gelacht werden“, sagt Gerhard. NOK-Willi wird als „Sport- Führer“ verabschiedet. Mannschaft des Jahres wird die Biathlon-Staffel, aha, schießen und weglaufen, paßt ja in die Zeit. Carmen lacht immer noch. Viele Menschen in benutzten „Mein Freund ist Ausländer“-Trikots aus der Bundesliga trällern „Hearts on fire“. Alles klatscht, der Sport-Stadl ist zu Ende. Schmiernik

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