: Brot auf Tür: Vogel tot
■ Sieben angehende Grafik-DesignerInnen zeigen ihre Fotoarbeiten
Die Situation ist altbekannt: neugierige Kinderaugen blicken zur Fotografin, und die versammelte Gesellschaft, im besten Bemühen, ein fröhliches Erinnerungsfoto zu inszenieren, beschwört: „Gleich kommt das Vögelchen!“
Die sieben FotografInnen, die derzeit an der Hochschule für Künste ihre Werke ausstellen, machen mit dem Titel ihrer Werkschau: „Das Vögelchen ist tot!“ ihre Distanz zur Gesellschaftsfotografie deutlich. Alle sieben befinden sich noch in der Ausbildung zur Grafik-DesignerIn, wovon die Fotografie nur ein Teilbereich ist. Mit spürbar unterschiedlicher Motivation und Intensität haben sie ihre Themen gewählt und bearbeitet. Herausgekommen ist eine sehenswerte Gesamtschau, aus der einzelne Arbeiten herausragen.
Die Arbeiten Andrej Glusgolds zum Beispiel: Sie sind nicht nur durch ihre technische Bearbeitung auf beschichteter Leinwand interessant. Vielmehr bestechen sie durch die Übereinkunft zwischen ihrem gewählten Thema, der tänzerischen Bewegung, und seiner Umsetzung auf Leinwand. So wie in der Sequenz von neun kleinformatigen Foto-Leinwänden: Eng nebeneinander plaziert, stellen sie beinahe eine kleine Bildergeschichte dar. Die lange Belichtung jeder einzelnen Aufnahme erweckt das Gefühl, bei einer Zeitlupen-Bewegung anwesend zu sein. Der Abzug auf Leinwand verleiht ihr eine weiche, fast malerische Färbung, die den Eindruck erweckt, bei einer Tanz-Performance zuzuschauen.
Ganz anders und insgesamt weniger ausdrucksstark wirken die Fotografien von Tatjana Voss, Andreas Weiss und Ulrike Fork. Die einzigen Farbaufnahmen stammen von Tatjana Voss. Sie mischt Maleri und Fotografie: Gegenstand ihrer fotografischen Betrachtung sind schwarz und weiß bemalte Oberkörper. Wenig subtil durch rote Wellen-Linien verbunden, vermitteln sie den Eindruck, es sollten wichtige Botschaften überbracht werden. So wenig feinsinnig die Arbeiten wirken, so wenig wecken sie das Interesse an ihrer Aussage.
Als Installation auf verrotteten Türen präsentiert Andreas Weiss seine Bilder, drei stellt er aus. Brot, geschnitten und ungeschnitten, durch die Aufnahme mit einer großformatigen Kamera am Rand unscharf gezeichnet — die Bilder vermitteln einen unfertigen Eindruck.
Die Fotografien von Ulrike Voss wirken wie zufällig zusammengestellt. Interessant sind aber ihre Aufnahmen von Plätzen, die mit der alten Technik der Kamera Obscura entstanden.
Kargheit und gestochene Schärfe zeichnen die Fotografien von Jochen Könnecke und Thomas Meyer aus. Die Auswahl ihrer Ausstellungsstücke ist in sich zusammenhängend und demonstriert ihre künstlerischen Stärken: Zwar sind die Motive, auf die sie den Focus richten, sehr unterschiedlich. Das Detail, betont von Kontrast zwischen hell und dunkel, bringen beide hervorragend zur Geltung. Mit ihren Portraitaufnahmen, die von der Inszenierung her an die Fotografie der 20er Jahre erinnern, fallen die Arbeiten von Gaby Ahnert auf. Aber auch für sie darf gelten, daß das Vögelchen nicht mehr lebt. ede
HfK, Dechanatstraße, bis zum 22.12.92, 14-18 Uhr
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