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■ Polizist vor dem Kadi: waffenfähig, aber nicht strafmündigUnausgereifte Persönlichkeit

Arnsberg (taz) – Daß Polizeibeamte genauso kriminell sind wie der Rest der Bevölkerung, ist nichts Besonderes. Daß sie bei Gesetzesbrüchen durch ihre Uniformierung häufig vor der Strafverfolgung geschützt sind, ist zwar gemein, aber auch nicht sonderlich neu. Doch daß bei der Polizei Beamte ihren Dienst tun, denen dann vor Gericht die volle Reife und Strafmündigkeit eines Erwachsenen abgesprochen wird, ist der Nachsicht dann doch zuviel. So geschehen am Mittwoch im sauerländischen Arnsberg.

Der 20jährige Christian H. macht auf der Anklagebank eher den Eindruck des trotzigen kleinen Jungen, nicht den des harten Bankräubers, der im Frühjahr mit seinem Kumpan eine Bank im Sauerland um knapp 20.000 DM erleichtert hat. Dann sieht er vielleicht doch dem smarten jungen Schupo in Köln ähnlich, der er ja nun auch wirklich bis zu seiner Verhaftung war. Auch in den Augen des Gerichtes war er mehr zufällig in den Polizeidienst gelangt. Nach der zehnten Klasse vom Gymnasium genommen, drängten die Eltern ihn in die Beamtenlaufbahn. Seine Klagen über den Job wurden mit Durchhalteparolen gekontert. Die Kündigung bei der nordrhein- westfälischen Polizei fiel ihm als Ausweg nicht ein. Statt dessen ließ er sich von einem 26jährigen Schließer der JVA Werk, den er als Mittäter nannte, zu dem Bankraub überreden. Geldsorgen hatte er nicht. Selbst sein Verteidiger fragt sich: „Wie kann ein junger Mensch in abgesicherter Situation überhaupt einen Bankraub begehen? Die Tat des Angeklagten ist als Kündigung, als Flucht aus seiner Situation zu werten.“

Im Dienst war sein Frust nicht sonderlich aufgefallen, war er mit seinem Unmut über Schreibdienst und Kleinkram doch kein Einzelfall. Er selbst sagt über sich: „Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was ich eigentlich mache. Morgens fahre ich zwei Stunden unangeschnallt zum Dienst. Und dann kassiere ich bei anderen deswegen 40 Mark. Der Dienst kam mir nach der Tat noch unsinniger vor. Da schreibt ein Bankräuber eine Anzeige wegen Falschparkens.“ Aber „für die Polizeischule“, so der Staatsanwalt, „war er als sportlicher, intelligenter Gymnasiast mit Sicherheit ein optimaler Bewerber“. Nach Abschluß der Ausbildung wurde er im Streifendienst in Köln eingesetzt – selbstverständlich mit eigener Dienstwaffe, der gleichen Knarre, mit der jener Bankraub durchgeführt worden war.

Andererseits bescheinigte die Jugendgerichtshilfe des Kreises Soest dem optimalen Bewerber im Prozeß eine unausgereifte Persönlichkeit, fehlende Vertrauensbildung in der Kindheit aufgrund von kaputten Familienverhältnissen und eine psychisch schlechte Verfassung. Alles in allem sei er „ein armer Kerl, der auf jeden Fall nach dem Jugendstrafrecht zu verurteilen ist“.

Was für Christian statt der fünf Jahre Mindeststrafe nur dreieinhalb Jahre Jugendstrafe bedeutet, sollte die Landespolizeibehörden allerdings aufhorchen lassen. Mit dem Angeklagten, über den ein Kölner Kollege sagt: „Er war mit seinem Frust kein außergewöhnlicher Einzelfall“, hat die nordrhein- westfälische Polizei einem unreifen Jugendlichen [schluchz, dicke krokodilstränen von d. s-in], die Dienstwaffe zu unser aller Schutz in die Hand gedrückt. Börg Taron

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