piwik no script img

■ Kinderumfrage über die Ursachen ihrer Furcht„Mathe macht mir Höllenangst“

Hamburg (AP/taz) – Schlechte Noten, Zahnärzte, Drogen, Ausländerhaß und Umweltkatastrophen machen Kindern angst. Nach einer Umfrage der Zeitschrift Eltern unter 2.080 Kindern im Alter von acht bis 16 Jahren fürchtet sich der Nachwuchs ferner vor unheilbaren Krankheiten, der Scheidung ihrer Eltern, Krieg und Arbeitslosigkeit. Manchmal hat das Gefühl auch banalere Ursachen: „Mathe macht mir Höllenangst“, sagte eine 14jährige Gymnasiastin, die sich wie viele AltersgenossInnen vor Lehrern und schlechten Noten fürchtet. Auch ein zwölfjähriger Realschüler meinte: „Ich habe Angst vor unserem Klassenlehrer. Er kann einem ganz gemein Angst machen. Er droht mit schlechten Noten und Sitzenbleiben. Ich bekomme richtig Herzklopfen, wenn er die Klasse betritt.“ Ein 16jähriger meinte sogar: „Vor Zeugnissen, Noten, Sitzenbleiben und Klassenarbeiten habe ich Angst. Krieg, Krebs, Ozonloch, Wirbelstürme sind nichts dagegen.“

Ein 13jähriger Türke fürchtet dagegen den Ausländerhaß: „Ich merke, daß viele Deutsche uns Ausländer gern rausschmeißen wollen. Das wäre schlimm, weil unsere Familie so gern hierbleiben will. Aber wenn ich morgens wach werde, dann denke ich immer in Angst: Wie lange ist das noch deine Heimat?“ Seine Sorge vor Nazis teilt eine 14jährige Gymnasiastin: „Wenn am Fernsehen Überfälle der Skinheads auf Ausländer zu sehen sind, dann sagt mein Vater immer: ,Ich glaube, jetzt kommen die Nazis wieder.‘ Dann müssen wir auswandern. Hoffentlich gibt's dann für uns irgendwo Asyl. Aber ich möchte doch so gern hierbleiben, ich habe doch so viele Freunde.“ Ein 15jähriger: „Ich habe Angst, daß wieder so ein Teufel in Menschengestalt wie Hitler in der Politik auftauchen könnte.“

Besonders viele Kinder fürchten sich vor Umweltkatastrophen. „Ein GAU wie Tschernobyl. Das wäre mit dem Cäsium dann der Untergang für viele Gebiete. Ganze Länder würden verstrahlt. Davor habe ich hauptsächlich Angst, weil es schließlich auch nur Menschen sind, die so ein Atomkraftwerk bedienen“, sagte eine 14jährige. Ein elfjähriges Mädchen schrecken die Öltransporte: „Eines Tages könnte wieder so ein riesiger Öltanker mit Tausenden Tonnen Öl mitten auf dem Meer auseinanderbrechen und die ganzen Küsten verseuchen. Dann wären die Strände unbenutzbar, und unser Mallorca-Urlaub ist im Eimer.“ Vor Aids hat eine 14jährige Gymnasiastin Angst: „Man weiß ja nie, ob der Mann, den man kennenlernt, gerade Aids hat. Man fällt vielleicht auf den rein. Das finde ich unheimlich für alle Mädchen. Es können aber doch nicht alle Mädchen ins Kloster gehen.“ Unheilbare Krankheiten fürchtet auch ein zwölfjähriger Realschüler: „Besonders vor Leukämie habe ich Angst, weil eine Schwester daran starb.“ Fast so sehr wie den eigenen Tod fürchten viele Kinder den Verlust ihrer Eltern. „Ich habe Angst, meine Eltern zu verlieren. Sie könnten bei einem Autounfall ums Leben kommen. Wenn ich dann allein wäre, das stelle ich mir schrecklich vor“, sagte eine Grundschülerin. Eine 13jährige hat Angst vor der Scheidung ihrer Eltern: Sie „haben oft Streit. Mein Vater ist nur selten zu Hause. Meine Mutter sagt: ,Wir werden nach der Scheidung ein Sozialfall.‘“

Die Liste ist lang. Stichworte wie Einbrecher, Flugzeugabstürze, Gift in Lebensmitteln, Hungersnöte und Überschwemmungen bezeichnen weitere Probleme, die ihnen das Leben schwermachen. Sorgenfreie Kids waren eher die Ausnahme. Eine 14jährige Gymnasiastin sagte: „Ich lebe ohne Angst. Meine Eltern, meine Lehrer sind top. Alles läuft affengeil. Wovor soll ich Bammel haben?“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen