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Gift aus Rumänien zurück

■ Deutschland holt Giftmüll wieder ab

Berlin (taz) – Deutschland nimmt 425 Tonnen Giftmüll aus Rumänien zurück. Im Januar sollen die lecken Fässer mit illegal exportierten Altpestiziden in Siebenbürgen wieder abgeholt und anschließend in der Bundesrepublik ordnungsgemäß „entsorgt“ werden. Darauf haben sich der Bund und die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall unter Führung des hessischen Umweltministeriums schon letzte Woche geeinigt.

Bezahlt werden soll die zwei Millionen Mark teure Aktion nach dem „Königsteiner Schlüssel“: die verschiedenen Bundesländer zahlen anteilig je nach Einwohnerzahl. „Zum erstenmal in der Geschichte internationaler Giftmüllschieberei ist es gelungen, einen reichen Industriestaat in die Verantwortung zu nehmen, so daß er Hand anlegt und seinen Dreck zurückholt“, freute sich Andreas Bernsdorff von Greenpeace gestern über die Entscheidung. Die Umweltschützer sehen in der Rückholaktion einen Präzedenzfall; schließlich wird deutscher Sondermüll bislang einfach so in alle Welt gekarrt.

Seit über einem halben Jahr ist bekannt, daß rund 2.000 Tonnen verbotene Pestizide aus DDR-Produktion nach Siebenbürgen gebracht wurden. Dort sind inzwischen mehrere Seen und zwei Brunnen mit Chlorkohlenwasserstoff aus ausgelaufenen Giftfässern verseucht. Die AnwohnerInnen leiden unter Kopfschmerzen und Hautausschlägen. Nur 425 Tonnen der 2.000 Tonnen konnten aber bisher wiedergefunden werden.

Die sächsischen Behörden wußten von den Exporten, konnten darin aber seinerzeit nichts Rechtswidriges entdecken. Und tatsächlich sind die Abfallexportgesetze in Deutschland für Geschäftemacher geradezu eine Einladung, ihren Müll ins Ausland zu bringen – der Export ist leicht, und hierzulande kostet die Entsorgung einer Tonne Sondermüll bis zu 4.000 Mark.

Gegenwärtig gibt es zwei Voraussetzungen, um von den Behörden eine Genehmigung für den Export ins Ausland zu erhalten: erstens darf es in dem müllproduzierenden Bundesland keine entsprechende Abfallentsorgungsanlage geben – das reichste Bundesland Baden-Württemberg beispielsweise mutet seinen BewohnerInnen keine Sondermüllverbrennungsanlage zu, ist also auf Export angewiesen. Zum zweiten muß eine Zustimmung aus dem Empfängerland vorliegen. „So ein Papier bekommt man in vielen Staaten innerhalb einiger Stunden für ein paar Dollar“, weiß Greenpeace-Experte Bernsdorff.

Auf diese Weise gingen 1990 rund 500.000 Tonnen Sonderabfälle legal über deutsche Grenzen ins Ausland – damit ist Deutschland Weltranglistenerster beim Giftmüllexport. „Die Dunkelziffer aber ist vermutlich riesig“, schätzt Jochen Reiche, Abfallexperte vom Umweltbundesamt.

Ab 1994 soll zwar durch eine EG-Richtlinie nur noch der Export von Wirtschaftsgütern legal sein, die „verwertet“ werden können. „Das aber muß im Ausland kontrolliert werden. Sonst steht es nur auf dem Papier“, prognostiziert Reiche. Im Grunde müßten Experten vor Ort recherchieren, ob die angeblich wiederverwertbaren Stoffe nicht tatsächlich irgendwo abgekippt würden. Ob Verwertung auch Verbrennung heißen kann, darüber streiten sich die Abfall- und Emissionsexperten des Umweltbundesamtes derzeit intern. Annette Jensen

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