: Britische Weihnacht: Hundekuchen und Spitzenhöschen Von Ralf Sotscheck
Heiligabend in London: In der Innenstadt ist der Teufel los. Nach den flauen Umsätzen der vergangenen Wochen aufgrund von Rezession und IRA-Bombenkampagne setzt doch noch der Kaufrausch ein. In den Warenhäusern schlendern Männer mittleren Alters betont gleichgültig durch die Abteilungen mit Damenunterwäsche. Ein kurzer Blick über die Schulter, und – wenn die Luft rein ist – ein hastiger Gang zur Kasse mit dem Corpus delicti unterm Arm. „Es ist jedes Jahr dasselbe“, stöhnt eine Verkäuferin, „die phantasielosen Böcke kaufen im letzten Moment schwarze Reizwäsche für die Gattin. Genausogut könnten sie ihr ein Playboy-Abo schenken.“ Die Spitzenhöschen sind allerdings ein Bumerang. „Damenunterwäsche ist der Artikel, der am meisten umgetauscht wird“, erzählt die Verkäuferin. Der Guardian machte seinen LeserInnen in der Weihnachtsbeilage dagegen ein wundervoll bösartiges Geschenk – das Würfelspiel „Tödlicher Verlust: Sie sind John Major in diesem Spiel aus Glück, Zynismus und Irrenhaus-Ökonomie“. Die TeilnehmerInnen erhalten zu Beginn 56 Milliarden Pfund. Ziel des Spiels ist es, „auf den Hund zu kommen“. Doch zuvor muß man das gesamte Geld ausgeben – aber nicht für etwas Nützliches. Der Weg in den Bankrott ist mit ständigen Kehrtwendungen gepflastert, so daß man leicht vom rechten Weg abkommen und der Deutschen Bundesbank in die Hände fallen kann. Dann verwandelt sich alles Geld in Hundekuchen. Böse Zungen behaupten, daß der wahre Major drei Tage lang hilflos auf dem Spielbrett herumirrte, bis ihm seine Frau Norma das Wort „Satire“ erläuterte.
Bei den Windsors reihte sich Weihnachten nahtlos in das „Annus horribilis“ ein. Da die britische Queen eine erbärmliche Rednerin ist, ließ sie ihre Weihnachtsansprache bereits am vergangenen Montag aufzeichnen. Am nächsten Tag konnten die Untertanen das königliche Gewinsel über das gnadenlose Schicksal, das ihre Familie in diesem Jahr besonders heftig heimgesucht habe, ausgerechnet im Gossenblatt Sun wortwörtlich nachlesen. Vermutlich hat irgendein BBC-Angestellter die Aufzeichnung verhökert und sich dadurch eine vorweihnachtliche Bescherung gesichert. Das Mitleid mit der obersten Steuerhinterzieherin hielt sich freilich in Grenzen. Die gewarnte Bevölkerung ersparte sich am Weihnachtstag das Geplapper der Monarchin und schaltete auf UTV um, wo zur selben Zeit Supergirl lief.
Während Supermans Cousine einen gefährlichen Klumpen Krypton souverän aus Feindeshand zurückeroberte, warf die BBC ihr eigenes Krypton geradewegs in den Buckingham-Palast: Die staatliche Sendeanstalt zeigte im Weihnachtsprogramm Pallas – eine gemeine Schmierenkomödie, die aus Original-Filmmaterial über den Windsor-Clan zusammengeschnitten wurde. Doch die BBC hat die Dialoge mit giftiger Feder umgeschrieben und von SchauspielerInnen sprechen lassen. Besonders niederschmetternd für die Queen war die Tatsache, daß ein Großteil der Bevölkerung das gar nicht gemerkt hat. Viele nahmen es für bare Münze, als zum Beispiel Prinzessin Fergie über „Randy Andy“ (den geilen Andreas, ihren Ex-Gemahl und Queen-Sohn) herzog. „I am not amused“, soll Elisabeth gemosert haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen