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Ost: Ohne Aufschwung passiert auch nichts

■ Für Industrieversicherer sind die neuen Bundesländer ein gutes Geschäft/ Trotz vorsintflutlicher Anlagen passieren weniger Unfälle als in Westdeutschland

Hannover (dpa/taz) – Noch vor zwei Jahren galten Versicherungen als besonders mutig, die alte Industrieanlagen in der Ex-DDR versicherten, um nicht zu sagen als leichtsinnig. Doch die Altanlagen in den neuen Bundesländern entpuppten sich als weitaus weniger unfallträchtig als erwartet. „Die geringe Produktionsauslastung von 40 bis 60 Prozent in den Betrieben verringert auch die Gefahr von großen Schäden“, so die Erfahrung von Günter Wager, Vorstandsmitglied beim hannoverschen Haftpflichtverband der Deutschen Industrie (HDI).

So habe es zwar kaum ausgeklügelte elektronische Brandschutzsysteme gegeben. Keinesfalls unüblich seien Improvisationen gewesen, wie ein quer durch die Produktionshalle gespannter Perlonfaden, der bei einem Feuer durchbrannte und Alarm auslöste.

Die einfachen Sicherheitsvorkehren haben jedenfalls hervorragend gewirkt: Für 1992 liegt die Schadensquote nach Berechnungen des Industrieversicherers mit 60 bis 62 (1991: 67,1) Prozentpunkten im Osten deutlich unter den voraussichtlichen 83,4 (95,5) Prozentpunkten im Westen. Die Versicherungen hätten daher beim Ostgeschäft bei „kleinem Volumen gut verdient“.

Den ostdeutschen Markt haben sich inzwischen 15 westdeutsche Industrieversicherer praktisch unter sich aufgeteilt. Ausländische Versicherungsgesellschaften seien, so Wager, „so gut wie nicht vorhanden“. Rund 75 Prozent der Industrietätigkeit im Osten kommen von westlichen Unternehmen, und die brachten dem Manager zufolge ihren angestammten Versicherer gleich mit.

Kommt die ostdeutsche Wirtschaft in Schwung, rechnet Wager auch mit einer höheren Schadenverlaufquote als bisher. In der Branche war das Geschäft mit den Feuerversicherungen nach HDI- Angaben, der sich nach der Allianz und dem Gerling-Konzern zur Nummer drei der Industrieversicherer in der Bundesrepublik rechnet, verlustreich. Vor allem im Osten würden Unternehmen dem Brandschutz nicht gerecht. Erst in zwei bis drei Jahren werden nach Einschätzung des HDI westliche Standards wie Sprinkleranlagen in Ostdeutschland die Regel sein.

Branchenweit habe die Industriefeuer-Versicherung in Deutschland rund zwei Milliarden DM Verlust eingefahren. Für 1992 rechnet Wager mit einer Halbierung des Verlustes. Das gesamte Versicherungsgeschäft in der Bundesrepublik belief sich nach seinen Angaben 1991 auf 165 Milliarden DM, davon kamen elf Milliarden DM aus Ostdeutschland. Eine drastische Zunahme von Brandschäden registriert der HDI neuerdings in Ost wie West bei mittelständischen Betrieben. Kein Wunder, so Wager, werde doch in großen Konzernen die Fertigungstiefe verringert und die Arbeiten auf kleine Zulieferer verlagert. „Die Maschinen sind für eine Auslastung rund um die Uhr meist gar nicht konzipiert, und bei Feuer rückt auch keine Werksfeuerwehr an.“

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