: Schöne Worte
■ betr.: "Lange genug gespalten", Ökolumne von Harald B. Schäfer, taz vom 2.1.93
Betr.: „Lange genug gespalten“, Ökolumne von Harald B.Schäfer, taz vom 2.1.93
Schöne Worte findet der SPD- Umweltminister von Baden-Württemberg für eine neue Energiepolitik mit dem Ausstieg aus der Atomenergie und der Förderung von alternativen Energien, aber eben nur Worte, in seinen Taten hält er sich nicht daran.
Er schreibt, daß die große Koalition laufende Sicherheitsüberprüfungen mit alternativen Gutachtern vereinbart hat und daß dies ein Beitrag zur Konsensfindung über die Frage ist, wie sicher ein (noch) laufendes Kernkraftwerk ist. Was nützt dies, wenn sich diese alternativen Gutachter an den Stand der Technik zur Zeit der Inbetriebnahme halten müssen. Ein Beispiel: Als das Akw Obrigheim vor mehr als 20 Jahren den Probebetrieb aufnahm, mußte es nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert sein. Heute ist dies jedoch erforderlich. Harald B.Schäfer hat letztes Jahr die endgültige Betriebserlaubnis für Obrigheim ausgestellt, obwohl es diesen Sicherheitsmangel hat. Wie schreibt er doch? „Bei der Gestaltung des Ausstiegs darf es eins nicht geben: Sicherheitsrabatt.“ Bei Obrigheim hat er der Atomindustrie nicht nur einen Rabatt eingeräumt, sondern einen Schleuderpreis in Sicherheitsfragen. Der Wink mit Schadenersatzforderungen hat genügt, um vor der Atomindustrie zu kuschen und alle Sicherheitsbedenken über Bord zu werfen.
Zur Förderung von alternativen Energien schreibt der SPD-Umweltminister Schäfer: „Angesichts von Treibhauseffekt und Ozonloch muß ein neuer Energiekonsens vor allem ein Energiesparkonsens und ein Konsens zur Förderung regenerativer Energien sein.“ Im Koalitionspapier wurde ein Landesprogramm vereinbart „unter besonderer und verstärkter Förderung der regenerativen Energieträger“. Schöne Worte! Und die Taten?
Die Landesregierung mit dem SPD-Umweltminister hat alle Zuschüsse für Kleinwasserkraftwerke gestrichen. Direkt davon betroffen sind etwa 50 Anlagen, die in der Planung oder im Bau sind und deren Fertigstellung nun in Frage gestellt ist. Hunderte von stillgelegten Kleinwasserkraftwerken können dadurch nicht mehr aktiviert werden. Der Minister sollte zuerst mal einen Konsens zwischen seinen Worten und seinen Taten herstellen. Siegfried Seilnacht,
Donaueschingen
Die Schnelligkeit, in der sich sozialdemokratische Politik verändert, sobald sie, wie hier in Baden-Württemberg in Form der Großen Koalition, politische Verantwortung übernimmt, ist erschreckend und atemberaubend.
Aus dem bundesweit bekannten Atomkritiker Schäfer ist mit Eintritt in die Regierung binnen Wochen ein der Atomlobby gefügiger Umweltminister H.B. Schäfer geworden – kein Einspruch seinerseits, als im August 1992 der Weiterbetrieb des Akw-Schrott- Meilers im baden-württembergischen Obrigheim von der Großen Koalition genehmigt wurde.
Trotzdem versucht er sich wenige Monate danach als atomoppositioneller Denker innerhalb der SPD zu profilieren – mit unverfrorener Beharrlichkeit spricht er in der Ökolumne von einer „Vorreiterrolle“ Baden-Württembergs im Hinblick auf den Ausstieg aus der Atomenergie. Nie wäre ein Umsetzen dieser Leitlinie leichter gewesen als vor ein paar Monaten, ein „Aus“ für Obrigheim hätte tatsächlich einen Einstieg in die „Kernenergieabwicklung“ bedeuten können. [...] Jörg Schmid, Aktion „Strom
ohne Atom“, Stuttgart
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