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Fische im Schleudergang

■ Künstlerinnen und Künstler aus Amsterdam, Maastricht und Aachen stellen in der KX-Galerie auf Kampnagel aus

auf Kampnagel aus

Augenblick: Ein rotweiß-geränderter Übersichtspiegel, wie ihn Autofahrer von unübersichtlichen Straßenecken kennen, hängt erblindet und bekleckert in einer Raumecke, eine gemalte „Spiegel-Schildereij“ des Renee van Keeken aus Maastricht. Die Dinge sind nicht, was sie scheinen, und der schöne Schein der Kunst zeigt allen Bemühungen seit der Renaissance zum Trotz keine wirklichen Dinge. Jede Malerei, so realistisch sie sich auch gibt, ist Farbform auf Fläche.

Auch im Augenblick, die Ausstellung vorwiegend niederländischer Künstler in KX spielt in nicht gerade neuer Weise mit dem Blick der Betrachter. In arbeitsgerechter Höhe hängt eine Reihe betont schlechtgemalter Waschmaschinen an der Wand. Hinter deren Sichtfenster tummeln sich Fische, oder gemalte Fernseher bieten teils übliche, teils ungewohnte Bildschirmmotive von Frauengesichtern zu Holzmaserungen. Dergleichen Eulenspiegeleien sind im Konzept zu beliebig und als Malerei zu schwach. Origineller sind dann die mehrschichtig vernetzten Landkarten des Stan Klamer aus Amsterdam. Die Formen von Land und Wasser sind überlagert von Stadtgrundrissen, Verkehrswegen, Architektursymbolen und imaginären Beziehungen. Es sind nicht mehr nur Bilder von touristischen Plänen, sondern eine grell gemalte Kartographie moderner Erfahrung.

Doch die Ausstellung wäre zweifelsohne der größte Flop des noch jungen Jahres, wären da nicht noch drei Künstlerinnen. Desiree Palmen aus Maastricht hat ihre Gummiweste mit eingeschnittenem Rippenmuster und ihre Schiffermütze mit eingeprägten Gehirnwindungen an die Wand gehängt und ihrem ledernen Ohrensessel einen Platz auf einem größeren ledernen Ohrensessel angewiesen. Die Beziehungen von Innen und Außen, von der Sache, ihrer Idee und ihrem Klon sind ihr Thema, das sie in zahlreichen Objekten und in zahlreichen Ausstellungen variiert hat. So zeigen Klapptisch, Koffer und Kartenturm, daß rotes Herz (Dame!) und schwarz-aggressives Pik (Bube!) dabei zwei ebenso formähnliche wie bedeutungskonträre Seiten des gleichen Spiels sind.

Auf einem Gemälde von Johanna Roderburg aus Aachen entrollt sich ein goldgelbes Band und formt genau die Worte: „Wie gemalt“, Gegenstand, Sprache und Abbild in einem. Zu derlei Begriffsspielerei in der Tradition Magrittes gesellen sich Formverschiebungen nach Art M.C. Eschers, wenn im Farbfond schwebende Stühle in perspektivisch merkwürdiger Reihung antreten.

Malerisch am reizvollsten sind die großen, weißgrundigen Bildtafeln von Suzan Drummen aus Amsterdam. Über den zeichnerisch angelegten, seriellen Raummustern scheinen farbige Kugeln zu schweben, die die abgedeckten Bildräume durch ihre Farbe betonen und in Verzerrung spiegeln. Eine komplexe und artifizielle Arbeit, die eine Brücke schlägt von den allerersten Kugelspiegeldarstellungen der Renaissance zu den computersimulierten Raumphantasien unserer Tage. Hier dient die Malerei der rationalen Erschließung virtueller Bildräume, ohne mit populär-kritischem Anspruch daherzuplätschern wie bei Fischen in Waschmaschine und TV. Hajo Schiff

Do.-Sa. 16-20 Uhr; bis 30.1.

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