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Erneut Bedenkliches

Die Verantwortung der Öffentlichkeit und ihrer ProduzentInnen ist ein großes Thema, dessen Behandlung in Würde uns schon aus Gründen der Arbeitsplatzsicherung dauerndes Anliegen ist. Die Macht (Kehrseite der Verantwortung!) der Presse hat sich erst kürzlich, zwischen den Jahren, in ihrer Positivität bewiesen, als der Schlaf der Bonner Politik und die Notwendigkeit, dennoch täglich Nachrichten zu produzieren, im Sturz des Ministers Möllemann eine segensreiche Verbindung fanden. (Denn, seien wir doch ehrlicher, als die Politiker es sein dürfen: Nicht sich plötzlich entzündetem Gerechtigkeitssinn der Medien ist es zu verdanken, daß des Ministers Kapriolen endlich zu Schuldbuch schlugen, sondern dem Gähnen der Welt, das auf den front pages der Weltpresse eben die schlechten Zähne nicht zeigen darf. Doch zum letzten später.) Neben den allfälligen Rückblicken auf die politische Großwetterlage, neben den Sommers wie Winters immer wieder gern gelesenen Erwägungen zur Ohnmacht der Zivilisation, zum dünnen, sich allzu schnell teilenden Eis der Humanitas und dem Berg von Gewalt darunter, der kreißt und kalbt, neben, kurz gesprochen, diesem sich selbst fortschreibenden supertext unser aller conditio humana ist man für jeden Anlaß dankbar, der medialen Verantwortung (Kehrseite der Macht!) auch im Bereich der Humanmedizin aufs schärfste nachgehen zu können. Deshalb weisen wir gern auf ein Medienereignis hin, das wir mit Verspätung zur Kenntnis nahmen und dafür um so vollermundig begrüßen: die Ausschreibung Journalistenpreis Mundhygiene 1993 der Braun Dental- Forschung jährt sich nunmehr zum dritten Mal.

Der nicht kleinlich dotierte Preis (insgesamt 10.000 DM) ging im letzten Jahr für die Beiträge „Zahnkaries und Parodontose – Früh übt sich...“ (in der Zeitschrift Ratgeber Frau und Familie, November 1989), „Rund um die Mundhygiene“ (in der Zeitschrift medizin heute, Oktober 1989) und „Damit Ihr Kind gesunde Zähne bekommt“ (in der Zeitschrift Eltern, Mai 1990) an die KollegInnen Gutmann-Heger, Priehn-Küpper und Schöne, die wir an dieser Stelle aufs herzlichste beglückwünschen.

Macht und Verantwortung im Bereich der Mundhygiene: ein weithin unterschätztes Thema, dessen sich nicht angenommen zu haben sogar diese Zeitung selbst bezichtigen muß, obwohl auch deren Redaktionskörper sich täglich die dritten Zähne ausbeißt an dem Versuch, spitz und bissig seine Rolle als Wächter der Medienhygiene auszufüllen. So fragen wir uns heute, ob Helmut Schmidt bei seinem Bruderkuß mit Honecker im Dezember 1981 nicht jenen kariösen Geruch verspürt hat, der dem Vernehmen nach und nach allen Regeln der Mundhygiene Ruch werden mußte, weil sowohl dem Lügner die Zunge im Munde verfault als auch dem Wissenden die Pflicht auf dieselbe gelegt ist, die Wahrheit hörbar zu machen: nämlich daß der Nichtraucher schon von der Verhängung des Kriegsrechts in Polen gewußt hat, als der Pfeifenraucher seinen Staatsbesuch in Güstrow machte. Wir fragen außerdem: Wo waren die prämierten Zeitschriften medizin heute, Eltern und Ratgeber Frau und Familie, wo waren die AutorInnen Gutmann-Heger, Priehn- Küpper und Schöne, als der Belag von Nikotin und Lüge die politische Luft verpestete, die wir alle atmen müssen? Wir bewerben uns hiermit hoffnungsvoll um den Journalistenpreis Mundhygiene 1993 in dem blitzblanken Bewußtsein, dem Thema Macht (Kehrseite: Verantwortung!) und Verantwortung (Kehrseite: Macht!) die Goldkrone aufgesetzt zu haben. ES

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