Schutzmasken für Bewohner der Shetlandinseln

■ Ölpest schlimmer als angenommen/ Bug und Heck des Unglückstankers bewegen sich unabhängig voneinander/ Reedereien gründen Nothilfefonds

Dublin (taz) – „Shetland wird nie mehr so sein wie früher“, sagte eine Verkäuferin in einem Geschäft für Shetland-Pullover. „Die Attraktion der Inseln war das Unberührte. Das ist für immer vorbei.“ Einen genauen Überblick über das Ausmaß der Katastrophe hat jedoch noch immer niemand – eine Woche nachdem der unter liberianischer Flagge fahrende US- Tanker „Braer“ mit 84.500 Tonnen Rohöl an Bord vor der Südküste Shetlands gesunken ist. Der Sturm hat bisher verhindert, daß Bergungsmannschaften auf das Wrack gehen können, um festzustellen, wieviel Öl noch in den Laderäumen ist. Bereits am Wochenende bewegten sich Bug und Heck des Schiffs unabhängig voneinander. Jederzeit kann der Unglückstanker vollends auseinanderbrechen. Während Londoner Politiker das Problem nach wie vor herunterspielen, hat die Inselverwaltung am Sonntag die gesundheitliche Überwachung von 600 Anwohnern angeordnet. Derek Cox, der Gesundheitsbeamte der Shetlands, riet den Leuten, ihre Häuser möglichst nicht zu verlassen und sich regelmäßig zu waschen, um Hautschäden zu vermeiden. Wer dennoch für längere Zeit aus dem Haus muß, erhält von der Verwaltung kostenlos eine Atemschutzmaske. Dennoch betonen die Gesundheitsbeamten, daß die gemeldeten Beschwerden lediglich „irritierend, aber nicht akut“ seien.

Viele Inselbewohner klagen über brennende Augen, Hautausschläge und Atemprobleme, die möglicherweise von den chemischen Bindemitteln stammen, die per Flugzeug auf den Ölteppich gesprüht werden. Am Sonntag wurde bekannt, daß die Verwendung dieser Mittel gegen UN-Richtlinien verstößt, da sie dem Meeresleben mindestens ebenso großen Schaden zufügen wie das Öl.

Der 14 Kilometer breite Ölteppich hat sich inzwischen über 50 Kilometer an der Küste ausgedehnt. Gestern wurde ein toter Otter 35 Kilometer nördlich vom Wrack gefunden. Mitglieder des Vogelschutzbundes, die am Sonntag mit einem Hubschrauber von Land aus unzugängliche Strände überflogen, stellten fest, daß weit mehr Vögel und Robben betroffen sind, als bisher befürchtet. Aber auch auf dem Land breitet sich der Ölfilm aus. Die Regierung hat angeordnet, daß die Ernte aus einem 25 Quadratkilometer großen fruchtbaren Landstrich im Süden der Insel nicht verkauft werden darf. Den Geschädigten sollen aus einem Nothilfefonds der Reedereien, in den auch die Besitzer der Braer einzahlen, 200.000 Pfund bereitgestellt werden. Allein der Umsatzverlust bei den schon betroffenen Lachsfarmern beträgt jedoch 35 Millionen Pfund im Jahr. Ralf Sotscheck