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Genfer Friedenskonferenz geplatzt

■ Vance und Owen gestehen Scheitern ihrer Gespräche mit den bosnischen Kriegsparteien ein

Genf (taz) – Nach über viermonatiger Dauer sind die Genfer Verhandlungen über Bosnien-Herzegowina an der unnachgiebigen Haltung des bosnischen Serbenführers Radovan Karadžić gestern nachmittag zunächst gescheitert. Der Konferenzvorsitzende David Owen konstatierte einen „Zusammenbruch“ der Verhandlungen, während sein Mitvorsitzender Cyrus Vance zunächst nur von einer „Aussetzung“ sprechen wollte. Nach fast ununterbrochenen Verhandlungen mit Karadžić seit Montag morgen erklärten die beiden Konferenzvorsitzenden, Karadžić habe „nein gesagt zu den von uns vorgelegten Verfassungsprinzipien“. Diese Prinzipien sehen die Erhaltung des – allerdings in zehn ethnische Provinzen aufgeteilten – Einheitsstaates Bosnien-Herzegowina vor, ordnen die außenpolitischen Kompetenzen bei der Zentralregierung in Sarajevo an und verbieten die Abspaltung von Teilgebieten.

Karadžić hatte hingegen bis zuletzt auf Änderungen bestanden, die diesen Prinzipien widersprechen und auf einen serbischen Teilstaat hinauslaufen. Eine auch in der gestrigen taz wiedergegebene AP- Meldung, wonach ein Verhandlungsdurchbruch bevorstehe, weil der Serbenführer seine Änderungswünsche aufgegeben habe, entsprach zu keinem Zeitpunkt der Situation am Verhandlungstisch, erklärte Konferenzsprecher Fred Eckard.

Vance und Owen informierten noch gestern ihre Auftraggeber UNO-Generalsekretär Butros Ghali und die EG über die Gründe für das Scheitern ihrer Bemühungen. Eine Empfehlung für militärische Aktionen würden sie jedoch nicht abgeben, erklärte Sprecher Eckard. Unklarheit herrschte gestern in Genf über die Rolle, die die Präsidenten Serbiens und Rest-Jugoslawiens, Slobodan Milošević und Dobrica Ćosić in den den letzten beiden Verhandlungstagen spielten. Nach Darstellung der beiden Konferenzvorsitzenden hätten sie das von ihnen vorgelegte Abkommen „als fair und akzeptabel“ bezeichnet und Karadžić die Annahme empfohlen. Insbesondere in bezug auf Milošević stieß diese Darstellung bei den meisten Beobachtern auf einige Skepsis. Konferenzsprecher Eckard wollte auf Anfrage der taz nicht ausschließen, daß Milošević und Karadžić ein Spiel mit verteilten Rollen spielen.

Owen und Vance äußerten die Erwartung, daß Milošević und Ćosić jetzt jegliche materielle Unterstützung für die Kriegsmaschine der bosnischen Serben einstellen. Darüber führten sie noch am Nachmittag ein Gespräch mit den beiden Präsidenten, bei dem allerdings Karadžićs Teilnahme nicht mehr „erwünscht“ war. Der bei seinen bisherigen Auftritten stets sehr auskunftsfreudige Serbenführer verließ kurz vor Beginn dieses Treffens ohne Kommentar den UNO-Palast. Nach zwei Stunden kehrte der bosnische Serbenführer Karadžić zurück und erklärte: „Wir wollen einen Kompromiß.“ Am Abend fanden daraufhin erneut Gespräche statt.

Nach dem Scheitern der Gespräche über die Verfassungsprinzipien seien weitere Verhandlungen über einen Waffenstillstand oder die von ihnen vorgeschlagenen Grenzen für eine Provinzaufteilung Bosnien-Herzegowinas zwecklos, erklärten Vance und Owen. Ihr Mandat als Vorsitzende der Jugoslawienkonferenz wollen sie jedoch noch nicht zurückgeben, da über andere Fragen noch verhandelt wird. azu

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