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Superlative in Schüsselland/Südost

■ Der Mitteldeutsche Rundfunk feierte sein Einjähriges/ DT64 doch auf Satellit

Leipzig (taz) – Stolzer Vater führt wohlgeratenen Sprößling vor: Zum 1. Geburtstag des Mitteldeutschen Rundfunks berichtete Intendant Udo Reiter auf dem Leipziger Schlachthofgelände, der künftigen MDR-Zentrale, vorwiegend Erfreuliches:

Das MDR-Fernsehprogramm sei das „meistgesehene Dritte in der ARD“ und die Hörfunkwelle MDR-Life das „beliebteste Musikprogramm in Ostdeutschland“. Es sei gelungen, „anfängliche Akzeptanzprobleme“ in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu überwinden. Der MDR mit seinen inzwischen 2.000 MitarbeiterInnen sei zwar immer noch auf 48 Standorte in den drei Ländern verteilt. Dies sei eine „provisorische, aber funktionierende Infrastruktur“, kommentierte Udo Reiter. Alle Programme, die im Staatsvertrag vorgesehen sind, konnten „zum Laufen gebracht werden“.

Sogar eines mehr. Entgegen anderslautenden Vorschlägen aus der sächsischen Staatskanzlei will der Intendant mit dem DDR-Jugendradio DT64 nun doch auf den Satelliten gehen. Reiter erinnerte daran, daß die Entscheidung, den Jugendsender auszustrahlen, mit „billigender Duldung“ der drei Regierungschefs zustande kam. Obwohl im Staatsvertrag nicht vorgesehen, wird DT64 derzeit über Mittelwelle ausgestrahlt. Offenbar, so der Intendant, rückten nun einige Kanzleien von der Übereinkunft ab. Sehr vorsichtig, „um die Verhandlungen nicht zu belasten“, kritisierte Reiter die sächsische Kanzlei-Idee, DT64 solle doch mit der kommerziell orientierten Musikwelle MDR-Life fusionieren, als „unsinnig“ und „überhaupt nicht gangbar“. Die Alternative Satellit sei „zwar anfangs noch nicht sehr empfängerfreundlich, aber doch zukunftsträchtig“. DT64 könnte dann europaweit empfangen werden, man verhandle sogar schon mit der Antennenindustrie.

Spitzenreiter im Fernsehen, so Reiter, seien die Nachrichtensendung „MDR aktuell“, die Länderjournale und das Sandmännchen. Auch der Erfolg von „Umschau“ und „Flimmerstunde“, „Kripo live“ und „Sonntagsfilm“ würde für das Konzept sprechen, „beliebte Programme sowie bewährte Sendeplätze des DFF beizubehalten, bisher Vermißtes zu entwickeln und das Gefühl zu geben, dieses Fernsehen ist von hier“. Noch in diesem Jahr will der MDR sein Fernsehprogramm über den Satelliten ausstrahlen. Reiter verspricht sich davon auch eine kleine Brücke über die Ost-West-Gräben.

Die ZuschauerInnen im Altbundesgebiet hätten dann das Vergnügen, ab Oktober eine siebenteilige Dokumentation über die Geschichte der DDR zu sehen. An dem Projekt arbeiten derzeit ost- und westdeutsche JournalistInnen. So etwas wie eine „Lindenstraße live“ plant die „WIR“-Redaktion – eine Langzeitstudie über ein Dresdner Mietshaus. Die BewohnerInnen im Alter von fünf bis 82 sollen über Jahre hinweg begleitet werden. Ein drittes Dok-Projekt widmet sich der „Geschichte der DEFA“ in 13 Folgen.

Verärgert zeigte sich Udo Reiter über die jüngsten Attacken von CDU und FDP auf den öffentlich- rechtlichen Rundfunk: „Jeder profilierungssüchtige Jungpolitiker kann hier sein Mütchen kühlen.“ Leichtfertig würden herablassende Urteile gestreut über eine „große gesellschaftliche Errungenschaft“. Mit „etwas gutem Willen“ könnten die Chancen auf dem Werbemarkt zwischen Privaten und Öffentlichen fair verteilt werden, allein es fehle der Wille. „Auf längere Sicht“ muß nach Reiters Auffassung die öffentlich-rechtliche Werbegrenze von 20 Uhr fallen. Detlef Krell

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