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Leichtes mit schweren Bedenken

Kalorienverminderte Joghurts und Quarks enthalten ungesunde Süßstoffe und Chemie/ Trotzdem machen Light-Lebensmittel nicht dünn  ■ Von Martina Keller

Die Lebensmittelbranche hat eine neue Zauberformel gefunden. „Light“ steht für schlank, fit und attraktiv. Das trifft den Nerv der Zeit und die Sehnsüchte der Kunden. Gut ein Fünftel der Bevölkerung kauft nach einem Markenreport bereits kalorienreduzierte Lebensmittel.

Dabei ist nach einer Untersuchung des Öko-Test-Magazins keines von den 24 getesteten Light- Produkten empfehlenswert. Um die Kalorienzahl zu vermindern, setzen alle Hersteller ihren Quarks, Joghurts oder Puddings gesundheitlich bedenkliche Süßstoffe zu.

Besonders negativ ist Aspartam zu beurteilen. Beim Abbau entsteht Methanyl, das im Körper zu krebsverdächtigem Formaldehyd umgewandelt wird. Zu Saccharin und Cyclamat liegen widersprüchliche Studien vor. Im Tierversuch führten die Substanzen zu Blasenkrebs.

Am ehesten akzeptabel ist noch Acesulfam-K, von dem keine gesundheitlichen Nebenwirkungen bekannt sind. Allerdings wird Acesulfam-K stets in Kombination mit anderen Süßstoffen eingesetzt.

Generell gilt für Light-Produkte: Sie sind stärker verarbeitet als ihre konventionellen Vorbilder und wären ohne die moderne Lebensmitteltechnologie nicht denkbar.

Um die fettarmen, zuckerlosen Produkte genießbar zu machen und vor Verderb zu schützen, brauchen die Nahrungsmitteldesigner jede Menge Zusatzstoffe wie Emulgatoren, Dickungsmittel, Stabilisatoren, Aromastoffe oder Konservierungsstoffe.

Ein weitverbreiteter Irrtum ist, daß Light-Produkte besonders gesund seien, da sie fett- und zuckerarm sind. Oftmals sind aber gerade solche Lebensmittel kalorienvermindert, die im Übermaß sowieso nicht zu empfehlen sind, zum Beispiel Süßes oder Wurst. „Von der Qualität her werden nährstoffarme Lebensmittel nicht besser, wenn die Kalorien in Form von Fett oder Zucker reduziert werden“, sagt der Göttinger Ernährungspsychologe Professor Volker Pudel.

Schwer wiegt die Kritik der Ernährungswissenschaft: „Leichte“ Lebensmittel bestärken die Verbraucher in falschem Eßverhalten. Statt den bewußten Umgang mit Fett und Zucker zu fördern, dienen sie als Freibrief für ungehemmten Konsum.

„Die Bemühungen der Ernährungsberatung werden unterlaufen“, so Dr. Helmut Oberritter von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.

„Genuß ohne Reue“ lautet das ideologieverdächtige Versprechen der Hersteller. Dabei fällt es gerade dem Light-Esser schwer zu genießen. Der „gute Geschmack“ nämlich ist für sie nach einer repräsentativen Befragung der Universität Göttingen kein Kriterium bei der Auswahl eines Lebensmittels.

Ob wenigstens Reue ihnen erspart bleibt? Die meisten Light-Esser wollen abnehmen, doch sie bleiben auf ihren Kilos sitzen. So waren die US-Bürger laut Statistik Mitte der achtziger Jahre dicker als zehn Jahre zuvor, obwohl sie bei kalorienverminderten Lebensmitteln gut zugelangt haben.

Food-Designer Doktor Klaus Ragotzky paßt somit ins Bild. Täglich ißt er Lebensmittel der Marke „Du darfst“, am liebsten Konfitüre, Wurst und Käse.

Ragotzky hat diese Produkte in den Labors der Union Deutsche Lebensmittelwerke selbst entwickelt. Doch das Dasein haben sie ihm nicht erleichtert – er hätte gerne ein paar Kilogramm weniger auf den Rippen. Sein Trost: Vielleicht wäre er sonst noch schwerer.

Eines immerhin hält Ernährungspsychologe Pudel den Light- Produkten zugute: „Wenn sie denn schon die Menschen nicht schlanker machen und auch die Ernährung nicht verbessern, so besänftigen sie doch manche Gewissensnot.“

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