Neue schwere Vorwürfe gegen Heiner Müller

■ Karteikarten über IM „Heiner“ (Müller) aufgetaucht, aber Akte noch nicht gesichtet/ Der Autor bezeichnet sich als „naiv“, fühlt sich „verleumdet und verfolgt“

Berlin (taz) – Die Verdachtsmomente für eine Stasi-Mitarbeit Heiner Müllers verdichten sich. Die Zeit berichtet von insgesamt drei Karteikarten, auf denen einer der DDR-Dramatiker als „IMS“ (Informeller Mitarbeiter zur politisch- operativen Durchdringung und Sicherung des Verantwortungsbereiches) geführt wurde und deren Angaben in Aktennummer und anderen Details übereinstimmen. Demnach war für Müller der Führungsoffizier Girod zuständig, der Berichte und Lageeinschätzungen von „Heiner“ vom 14.11.79 bis zum Januar 90 ordentlich abheftete. Verzeichnet sind auf diesen Karten auch „Präsente“ für den IM „Heiner“ (im Werte von insgesamt 175,35 Ostmark). Vor allem aber findet sich die Erwähnung eines Betrages von 64 Mark, der mit dem Kürzel „op. Auftrag“ (operativer Auftrag) begründet wird und die Vermutung nahelegt, daß Müller für die Stasi im Auftrag tätig war.

Zitiert wird in diesem Zusammenhang die Opferakte des DDR- Autors Klaus Schlesinger, in welcher der „Heiner“-Vorlauf „Zement“ erwähnt wird: „Aufbauend auf den bisherigen Ergebnissen des Kontaktes zu dem IM-Vorlauf ,Zement‘, sollen im Rahmen der problemgebundenen Abschöpfung Informationen über Wirken und Wirksamkeit des Schl. in Kreisen feindlich-negativer Schriftsteller und Kulturschaffender erarbeitet und im Zersetzungsprozeß zur Mißtrauensbildung genutzt werden.“

Heiner Müller hat über seinen Anwalt Reiner Geulen seine bisherige Position bekräftigt: „Ich kann versichern und beeiden, daß ich im Zusammenhang mit der Staatssicherheit kein Papier unterschrieben und kein Wort schriftlich formuliert habe. Ich war naiv genug, nicht zu wissen, daß Gespräche mit Mitarbeitern der Staatssicherheit als „IM-Tätigkeit“ registriert wurden. [...] Ich beginne zu begreifen, daß es die wirklich geheime Funktion der Staatssicherheit war, dem Nachfolgestaat Material gegen potentielle Staatsfeinde zu überliefern: der Rechtsstaat als Vollstrecker des Stasi- Auftrags. [...] Im übrigen bin ich es gewohnt, mit Verleumdung und Verfolgung zu leben.“

Die Gauck-Behörde erklärte auf Nachfrage der taz, daß Heiner Müller einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt habe. Die Behörde, konfrontiert mit Tausenden von noch nicht gesichteten Personalakten, bestätigt, daß eine entsprechende Akte zu den Karteikarten derzeit nicht auffindbar sei. Daß Gesprächspartner der Stasi weder von ihrem Decknamen noch von ihrer IM-Registrierung wußten, ist nicht ungewöhnlich. Entscheidend sei der „Wille zur Konspiration“. ES