: Nach Syrien abgeschoben, dort gefoltert
Jezidische Kurden wurden unter fragwürdigen Umständen nach Syrien geschafft/ Vater und Sohn wurden vom syrischen Geheimdienst gefoltert/ Gericht sah keine Gefahr von Verfolgung ■ Aus Bremen Marc Wiese
Die Ausländerbehörde Cloppenburg hat eine syrische Familie abgeschoben, obwohl gegen deren Kinder noch nicht einmal eine Ausweisungsverfügung vorlag. Wie jetzt durch einen Telefonanruf des Vaters bekannt wurde, sind er selbst und der älteste Sohn vom politischen Sicherheitsdienst direkt nach ihrer Ankunft in Damaskus drei Tage inhaftiert und gefoltert worden. Fehleinschätzungen und Unregelmäßigkeiten bei den deutschen Behörden haben zu der Ausweisung geführt.
Das Verwaltungsgericht Oldenburg hatte im Herbst letzten Jahres Farhou Chakers Asylantrag – und damit nach gängiger Rechtsprechung gleichzeitig die Anträge seiner Frau und der fünf Kinder – abgewiesen. In der Urteilsbegründung sahen die Oldenburger Richter „keine Anhaltspunkte dafür, daß sie im Falle einer Rückkehr einer Verfolgung ausgesetzt wären“.
Es kam anders: Die Familie ist am 15.Dezember nach ihrer Abschiebung von der Flughafenpolizei in Damaskus sofort verhaftet worden. Der Vater und der älteste Sohn Fahrad wurden vom politischen Sicherheitsdienst festgesetzt, der Rest der Familie konnte in ihr rund 700 Kilometer entferntes Heimatdorf Kamsli zurückkehren. Der Sicherheitsdienst folterte Vater und Sohn drei Tage lang: Sie wurden gefesselt in Autoreifen gesteckt und auf die Fußsohlen und andere Körperteile geschlagen. Nach weiteren Mißhandlungen ließ man sie mit der Auflage nach Kamsli fahren, einmal im Monat beim Sicherheitsdienst in Damaskus zu erscheinen.
Bei der Ausweisung am 15.Dezember hatte es einige Unregelmäßigkeiten gegeben. Die Familie wußte nichts von der drohenden Ausweisung, weil sie einen Brief ihres Rechtsanwaltes nicht erhielt, in dem dieser sie über das Urteil des Asylverfahrens informieren wollte. Die Ausweisung der fünf Kinder war rechtswidrig, da ihre Namen auf der Ausweisungsverfügung fehlten, die von der Ausländerbehörde Bonn an den zuständigen Landkreis Cloppenburg geschickt wurde. Trotzdem holte die Polizei die Familie am 15.Dezember aus ihrem Haus in Garel bei Cloppenburg und brachte sie nach Frankfurt.
Der Anwalt der Familie, Rolf Dittmar, beantragte in letzter Minute einen Aufschub der Abschiebung. Der Richter Hubert Heuer schreibt in seinem Vermerk vom 15.Dezember dazu: „Eine Abschiebeandrohung war seinerzeit nur an die Antragsteller 1) und 2) (die Eltern, d. Red.) ergangen. Ich habe deshalb mit dem Antragsgegner (Ausländerbehörde Cloppenburg, d. Red.) fernmündlich Kontakt aufgenommen und darauf hingewiesen, daß es für eine Abschiebung der Antragsteller 3) bis 7) (die Kinder, d. Red.) an einer Rechtsgrundlage fehle.“ Weiterhin heißt es, daß die Eltern ausdrücklich darauf hingewiesen werden müßten, daß eine Ausweisung der Kinder nur dann erlaubt sei, wenn „dies freiwillig“ erfolge .
Die Ausländerbehörde Cloppenburg habe daraufhin den Grenzschutz in Frankfurt über den Sachstand informiert, steht in dem richterlichen Vermerk. Dieser behauptet, daß die Kinder „offenbar bereit gewesen seien, gemeinsam mit den Eltern auszureisen“, erfährt der Richter nach erneutem Anruf um 13Uhr von der Ausländerbehörde. Dagegen sagt Mustafa Chaker, ein weiterer Sohn der Familie, der noch in Deutschland lebt: „Mein Vater hat mir gesagt, daß ihn niemand gefragt hat, ob die Kinder mit sollen. Sie sind einfach alle in das Flugzeug gesetzt worden.“
Die Chakers sind Kurden und gehören zu der Religionsgemeinschaft der Jeziden. Die Jeziden sind eine islamische Stammessekte und leben in dem Länderdreieck Türkei, Irak und Syrien. Sie werden seit Jahrhunderten als TeufelsanbeterInnen diskriminiert und verfolgt. Monika Kadur, Nahostexpertin bei amnesty international: „Es hat gerade jetzt in Syrien große Verhaftungswellen gegeben.“ Die syrischen Geheimdienste haben laut ai allein im Oktober 1992 über 200 Kurden festgenommen und teilweise gefoltert. Trotzdem gilt die Bleiberechtslösung von 1991 nur für türkische und irakische Jeziden. Syrische Jeziden werden abgeschoben – und gefoltert.
Heute entscheidet das Verwaltungsgericht Arnsbach über den Asylantrag von Mustafa Chaker. Er war in Syrien Sänger und erhielt aufgrund seiner politischen Lieder Auftrittsverbot. Die syrischen Behörden folterten ihn zwischen 1985 und 1989 mehrmals. Sie zerstörten ihm das Schultergelenk und machten ihn damit zum Teil arbeitsunfähig. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Richter bei ihm „Anhaltspunkte für eine drohende Verfolgung“ finden.
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